Gewalt gegen Kinder und die Folgen für ALLE

Erst kommt das Fressen, dann die Moral

Bertholt Brecht

Ich habe dieses Zitat von Bertholt Brecht an den Beginn meines Beitrages gestellt, da es so klar darstellt, wie es überhaupt sein kann, dass so viele Kinder in allen Gesellschaften unter (sexualisierter) Gewalt, Misshandlungen, Missbrauch, Kinderhandel, Folter, Vernachlässigung etc. zu leiden haben.

Und was hat das nun mit Gewalt an Kindern in so reichen Ländern wie Österreich zu tun? Es ist eine Tatsache, dass sich selbst reiche Menschen nie als in dem Ausmaß wohlhabend fühlen, wie sie es sind, wohingegen arme Menschen sich nicht als so arm begreifen können, wie es ihr Einkommen beweist. Finanzieller Reichtum scheint ein subjektives Erleben zu sein. Solange dies so ist, wird mit moralischer Argumentation sehr wenig daran zu ändern sein, dass es in einem enormen Ausmaß Gewalt an Kindern gibt. Stets wird es eine Begründung geben, weshalb gerade jetzt nicht politisch dagegen angegangen werden kann. Es wird immer gesellschaftlich wichtigere Projekte und ökonomisch unverzichtbarere Weichenstellungen geben.

Daher halte ich diesen Beitrag auf Ö1 für wichtig, denn er zeigt eine Änderung in der Herangehensweise von Kinderschutzorganisationen.

Ich habe lange gebraucht, um meine Gewalterfahrungen in Kontext zu anderen Menschen zu setzen. Es ist emotional noch immer schwer begreiflich, dass wir viele sind mit diesem Schicksal (und damit meine ich viele Körper, denen Gewalt angetan wurde und nicht Viele in einem Körper), wenn auch in ganz unterschiedlichen Ausformungen und Stärken. Mein Verstand kann es immer wieder als Satz formulieren, aber diese kindliche Isolation, die Einsamkeit als niemand half sind so tief verankert, dass die intellektuelle Intervention noch nicht nach innen gedrungen ist.

Wäre ich also nur eine Frau weltweit, die … großes Pech … massive Gewalt als Kind erleiden musste, wäre all dies tragisch, aber kein Problem global gesehen.

Dass gegen Gewalt an Kindern nicht endlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden, liegt wohl auch an der Verdrängung der eigenen Gewalterfahrungen all jener, die dazu in der Lage sind. Und hätte ich in dieser Welt funktionieren können, hätte auch ich den Weg des Wegsehens gewählt. Zumindest habe ich es versucht. Schließlich haben wir es so von unseren Eltern vorgelebt bekommen und gelernt.

Die gesellschaftlichen Folgen, dass sehr viele Kinder nicht die Fürsorge und Sicherheit erhalten, die ihnen ein gedeihliches Heranwachsen ermöglichen sind nicht nur immer erneut aufflammende Krisenherde und Kriege weltweit, sondern auch enorme Kosten im Budget der einzelnen Länder und damit eine starke Belastung für die Wirtschaftsleistung aller Staaten.

Vielleicht hilft das monetäre Argument, um Kinder vor Übergriffen effizient zu schützen und so dem Ziel Weltfrieden hoffentlich auch näher zu kommen.

Die folgende Sendung ist wieder 7 Tage nachhörbar über:

http://oe1.orf.at/programm/428054

Dimensionen – die Welt der Wissenschaft

Donnerstag, 25. Februar 2016 19:05

Gefährdete Kinder: Forscher/innen berechnen die Folgen von Kindesmisshandlung und Unterernährung
Gestaltung: Madeleine Amberger

„Wenn ein Kind in einer gewalttätigen Umgebung aufwächst, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es als Erwachsener nun seinerseits gewalttätig handelt“, sagt Susan Bissell von der UNO-Kinderorganisation UNICEF.

Misshandelte und missbrauchte Kinder leiden ein Leben lang unter den Folgen dieser Misshandlungen. Neurowissenschaftliche Studien zeigten, dass Gewalt die Entwicklung des Gehirns sowie des Stresssystems beeinträchtigt.

Im Erwachsenenalter leiden diese Menschen nicht nur verstärkt an psychischen Problemen wie Depressionen. Sie neigen auch zu chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck und sterben verfrüht.

Die Hälfte aller Kinder

Eine Milliarde Kinder leiden unter Gewalt. – Das ist weltweit die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen im Alter von zwei bis 18 Jahren.

Doch es leidet nicht nur das Individuum. Gewalt gegen Kinder betrifft die ganze Gesellschaft. Menschen, die in ihrer Kindheit misshandelt wurden, finden weniger leicht einen Job und fallen eher aus dem Arbeitsprozess heraus. Der wirtschaftliche Schaden beträgt Milliarden.

„Früher dominierten in der Debatte warum man nicht untätig zuschauen dürfe, wie so viele Kinder weltweit misshandelt, vernachlässigt und missbraucht werden, moralische Argumente. Jetzt wird mit den Kosten argumentiert“, sagt Susan Bissell von der UNO-Kinderorganisation UNICEF. Denn eine Investition in Vorsorge ist kostengünstiger als die Opfer zu behandeln. Genauso verhält es sich bei der Prävention von Gewalt gegen Kinder.

Wie teuer kommt Gewalt gegen Kinder?

Forscher am Overseas Development Institute in Großbritannien haben berechnet, dass der globale wirtschaftliche Schaden durch die Folgen von psychologischer, sexueller und physischer Gewalt an Kindern sieben Billionen Dollar beträgt. Investition in Prävention, so die Forscher, käme deutlich billiger.

Deborah Fry ist Expertin für öffentliche Gesundheit an der University of Edinburgh in Schottland. Sie veröffentlichte 2015 eine Studie über die Situation der Kinder in Asien. Das Fazit der Studie: Gewalt gegen Kinder ist in jeder ostasiatischen Gesellschaft weit verbreitet. – Wenn auch in verschiedenen Ausprägungen.

Kinderarbeit in Asien

Der asiatisch-pazifische Raum ist eine Region, in der Kinderarbeit besonders weit verbreitet ist. In Bangladesch etwa muss eines von drei Kindern arbeiten und so zum Familienbudget beitragen.

„In China war beispielsweise – verglichen mit anderen Ländern – Vernachlässigung als Gewaltfaktor besonders deutlich festzustellen. Aber man muss mit der Interpretation vorsichtig sein und in diesem Fall die soziale Armut mitberücksichtigen. Die Vernachlässigung in China ist Großteils eine Folge der Migration der Menschen zu Arbeitsplätzen in den Ballungszentren. Die Kinder lassen sie zurück. Auf den Philippinen und Indonesien kommt wiederum eine andere Form von Gewalt besonders häufig vor, nämlich sexuelle Ausbeutung. In Afrika sowie in Nordamerika seien davon vor allem Mädchen betroffen, erklärt Deborah Fry. Es dürfte eine südostasiatische Besonderheit sein, dass Buben und Mädchen gleichermaßen missbraucht werden“ erklärt Deborah Fry.

Unterentwicklung – jedes vierte Kind betroffen

Weltweit leidet eines von vier Kindern daran, dass es in der Entwicklung zurückgeblieben ist. Diese Kinder sind zu kleinwüchsig für ihr Alter; ihre Organe, einschließlich des Gehirns, können sich nicht voll entwickeln. Solcherart benachteiligte Kinder lernen signifikant schlechter.

Wer arm ist, hat oft nicht genug zu essen. Und in der Tat: Asien ist der Kontinent, wo besonders viele Menschen Hunger leiden. Die Folge chronischer Mangelernährung in der Kindheit nennen englischsprachige Forscher „Stunting“. Stunting heißt: Zurückgebliebenheit, Unterentwicklung.

2015 verabschiedete die UNO- Generalversammlung die so genannte Agenda 2030. Dieser Plan zur nachhaltigen Entwicklung umfasst 17 Ziele. Eines davon formuliert den Kampf gegen Mangelernährung. Das Stunting soll demnach bis 2025 um 40 Prozent reduziert werden. Das würde weltweit 90 Millionen Kinder betreffen.

Das ist nicht das einzige nachhaltige Ziel, von dem Kinder profitieren werden. Das Ziel 16 Punkt 2 in den UNO-Dokumenten spricht ausdrücklich die Gewalt gegen Kinder an. Dieses Ziel verankert den Schutz von Kindern vor jeder Form von Gewalt; vor Ausbeutung, Missbrauch, Vernachlässigung, Folter, Menschenhandel, Kinderarbeit, Genitalverstümmelung sowie Kinderehen.

„Bei den Verhandlungen über die nachhaltigen Ziele über das Ziel Nummer 16-Punkt-zwei – also über den Schutz von Kindern vor Gewalt, Ausbeutung, Vernachlässigung und Folter – hat es keine Diskussion gegeben hat“, erzählt Susan Bissel von UNICEF. „Wenn wir uns alle nicht auf dieses Ziel einigen können, – also wirklich, worüber können wir uns dann überhaupt einig sein?“

 

2 Gedanken zu „Gewalt gegen Kinder und die Folgen für ALLE“

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