Leben mit DIS #15: Der Zusammenbruch

Ein kurzes Lebenszeichen von mir, selbst wenn ich mich insbesondere in den letzten Tagen wenig lebendig fühle.

Dem Titel entsprechend möchte ich mich entschuldigen, dass ich nicht in der Lage war, jene lieben Kommentare vom letzten Beitrag freizuschalten, geschweige denn zu beantworten. Es war mir kaum möglich sie zu lesen. Habe sie nur überflogen, was dann für ein freischalten zu wenig war, weil ich unfähig war zu denken.

Ich vergesse aber nicht darauf. ….. hoffentlich!!! Es ist ganz gut, mir wesentlich weniger Perfektionismus zu erlauben. Vielen herzlichen Dank an alle, die noch auf ihre Kommentare warten, dass ihr mir eure lieben Worte geschenkt habt.


Und wieder ist eine Woche vergangen, seit ich die einleitenden Zeilen geschrieben habe. Ich hatte gedacht, jetzt wo ich mit Erkältung daheim bin, muss das doch gehen.

Nein, das war mehr als eine Erkältung. Meine praktische Ärztin eröffnete mir vor drei Tagen, dass es sich vermutlich um eine echte Grippe gehandelt haben muss, bei den Symptomen.

Am Mittwoch vor 11 Tagen ging ich zwar müde aber körperlich fit schlafen und erwachte mit einem Husten, bei dem ich dachte ich huste mir alle Eingeweide heraus und zudem mit hohem Fieber (ca. 39 Grad) und Gliederschmerzen die ich in meinem Erwachsenenleben so noch niemals erlebt hatte.

Was ich davor wusste, bevor mich mein Körper zur Ruhe zwang, war: „Uns ist alles zuviel!“ Die Treffen mit der Baugruppe, die mir immer mühsamer wurden, die keinen Spaß mehr machten. Das Erkennen, dass es uns unmöglich ist, uns mitzuteilen. Obwohl wir mitredeten, waren so viele Innenwesen immer versteckt, die dann nichts sagen durften und daheim brach das Chaos aus. Immer wieder das Überlegen, ob ∑ich überhaupt zu dieser Gruppe passe. Die Zeiten, in denen wir einander mit Vorsicht begegneten, waren vorbei. Dennoch kennen wir einander noch nicht. Immer mehr wollen nun ihre Vorstellungen durchkämpfen, die Atmosphäre ist uns mehr als unangenehm.

Da wir ohnedies atmosphärisch agieren, wurde jedes Treffen enorm anstrengend. Wir saugen generell die Gefühle der anderen auf, ob sie ausgedrückt oder unterdrückt werden, wir nehmen sie mit. Wie ein Schwamm saugen wir uns voll mit den Emotionen der anderen. Wenn dann nicht ausreichend Zeit ist, diesen Gefühlsberg abzutragen, einzuordnen und zu analysieren, passiert, was nun geschehen war. Der Speicher lief über, der Körper schrie „Ruhe!!!!“

Zudem stehen wir vor einem Streit mit der Krankenkasse. Die genehmigten Therapiestunden für das letzte Jahr sind nahezu verbraucht. Die Krankenkasse hatte uns angedroht, dass sie nicht mehr bereit sind, weitere Therapie in diesem Ausmaß zu bezahlen, egal, ob ich Bedarf hätte oder nicht. Ich müsse doch verstehen, dass es zuviel Therapie ist, die ich benötige. Was ich verstanden hatte und was mich seit einem Jahr massiv belastet ist, dass ich kein Recht habe zu leben. Dieser Gedanke ist von der letzten fachärztlichen Begutachtung übrig geblieben. Auch hier tragen wir massiven Druck mit uns. Die begutachtende Ärztin meinte, dass es wohl am besten sei, die Therapie noch vor dem Übersiedeln zu beenden. Ich weiß, dass ich dann die neue Wohnung vergessen kann, dass ich ohne therapeutische Unterstützung dieses Projekt nicht bewältigen würde. Ich weiß, dass die Krankenkasse nicht einfach meine Therapie streichen kann, da es ein gesetzliches Recht auf Krankenbehandlung gibt. Wenn es nun zum Rechtsstreit kommt? David gegen Goliath, oh nein, darauf haben wir keinerlei Lust. Dennoch würden wir es tun, was sonst? Aber wie genau es weiter gehen soll? Wir wissen es nicht.

Eine ganz normale Erkältung hätte uns nicht stoppen können in dem Versuch einfach zu funktionieren. Die Gliederschmerzen, Kopfschmerzen über mehrere Tage und das hohe Fieber brachte den Gedanken, dass ich davon sterben könnte. Und wir hatten überlegt, ob das denn eine gute Lösung wäre? Glücklich waren wir nicht über diese Möglichkeit, waren ihr aber auch nicht so ablehnend gegenüber, dass wir einen Notarzt gerufen hätten. Vielmehr dachten wir, dass wenn es denn sein soll, dann wollen wir einfach nicht mehr erwachen. Das war dann auch unser Gebet. Aber es war noch nicht unsere Zeit.

Heute nach 11 Tagen krank daheim, kommen die Lebensgeister wieder. Langsam kommt unsere Kraft zurück und der Husten lässt uns heute sogar den ersten Tag mitunter eine Stunde in Ruhe. Nicht jedes Atem holen führt unweigerlich zum Hustenanfall, nein ich kann ein- und ausatmen, einfach so. Das tut gut.

Wegen der Wohnung realisieren wir, dass es schlimmstenfalls eine schönere Wohnung wird, als jene, in der wir derzeit leben, wir aber mit den meisten Leuten im Wohnprojekt wenig Kontakt haben werden. Aber wer weiß, wie es sich entwickeln wird. Auf alle Fälle, werden wir nun früher auf unsere Grenzen achten und uns einige Tage Ruhe gönnen, wenn wir spüren, dass alles zuviel wird. Und es ist auch zuviel, wenn wir keine Zeit zum schreiben und für Yoga haben.

Nein, wir müssen nicht bei jedem Treffen dabei sein!

 

37 Gedanken zu „Leben mit DIS #15: Der Zusammenbruch“

  1. Hi Benita, dass mir keine Thera mehr zustünde und ich austherapiert bin, das habe ich schon oft gehört (auch wegen meiner vielen Klinikaufenthalte). Ich weiß nicht, wie es in Österreich ist. aber ich denke, es sollte auch da möglich sein, dass Du via Verfahrenswechsel (also anderer Therapieform) noch einmal ein volles Kontingent bewilligt bekommst. Nach langer Therapie ist es sowieso nicht schlecht, mal den Ansatz zu verändern. Wiese Dich ein Gutachten als chronisch krank aus könntest Du vielleicht sogar gegen die Kasse klagen. Welcher chronisch Kranke in Österreich bekommt seine Medikamente und Behandlung nicht? Warum sollte dies nicht auch für psych. Erkrankungen gelten?
    Ich weiß, es ist viel verlangt, aber kämpfe für Dich, lass Dich nicht wieder zum Opfer machen! Du bist es wert, jedes Leben ist es wert und man kann Dir nicht einfach die Hilfe verweigern. Ich wünsche Dir Kraft und Glück!

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    1. Lieber Alexander,
      Ich danke dir sehr für deine lieben Worte. Gutachten gibt’s genug. Ich bin sogar als Verbrechensopfer anerkannt und aufgrund dessen in Berufsunfähigkeitspension. Generell sind Therapien hier etwas anders geregelt als in Deutschland. ….. Es bleibt mir gar nichts anderes als (weiter) zu kämpfen. Deine Worte machen uns Mut, danke nochmal.
      Alles Liebe
      „Benita“

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  2. Hey liebe Benita, ist es nicht vielleicht möglich die Krankenkasse zu wechseln? Es gibt ja einige Kassen, die da weiter sind. Mit meiner hatte ich bisher nie Probleme, haben alles bisher übernommen und sind immer nett und hilfsbereit. Es ist so unfair! Drücken Dir die Daumen und schicken mal ein Kraftpaket! Ganz liebe Grüße

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    1. Liebe mygesundmithund,
      Danke dir fürs Mitdenken. Leider oder glücklicherweise lebe ich in Österreich. Hier gibt es keine freie Wahl der Krankenkasse. Ich bin aufgrund des Wohnsitzes und meines (ehemaligen) Berufes einer Kasse zugeordnet. Bzgl. Traumatherapie gibt es einige Unterschiede zwischen Österreich und Deutschland. Manche sind positiv ändere weniger.
      Danke fürs Daumen drücken.
      Alles Liebe 😊
      „Benita“

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  3. Liebe Benita! Auch von mir alles Liebe!! Unfassbar und absolut unakzeptabel wegen der Krankenkasse. Es tut mir so leid für dich/euch und ich wünsche dir/euch sehr, dass sich eine gute Lösung ergibt. ❤️

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    1. Liebe Melinas,
      sie haben es nicht geschrieben, das hat mir eine Ärztin im Mai 2017 ins Gesicht gesagt. Aber ich dürfe natürlich auf meine Kosten so lange wie ich mag Therapie machen, mit meiner niedrigen Pension?! Zynischer geht es kaum. Darauf sind wir einige Stunden verwirrt und weinend auf der Straße herumgelaufen, bis wir uns einigermaßen beruhigen konnten.
      Vielen herzlichen Dank für deine Wünsche. Ja, die Kraft brauchen wir.
      Alles Liebe auch an dich.
      „Benita“

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      1. Das ist ja so unglaublich, was die sich erlauben! Mach die das auch bei Krebs Patienten? Nach dem Motto, die Therapie hat uns jetzt 50.000€ gekostet und sie sind noch immer nicht gesund? Dann müssen sie mit klar kommen oder selbst weiter zahlen!…
        Es ist so unverschämt! Eigentlich müsste man damit an die Öffentlichkeit gehen, ins TV und nicht nur vor Gericht!
        Aber die wissen ja, dass wir keine Kraft haben und auch nicht in die Öffentlichkeit können. Sie nutzen schamlos ihre Stellung aus und tun uns damit so weh, zeigen uns wie unwichtig wir denen sind…
        Ach, es ist doch immer wieder das gleiche, oder?
        Wir wünschen euch schnell wieder auf die Beine zu kommen.
        Liebe Grüße
        Vergissmeinnicht

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        1. Danke dir für deine Zeilen, genau so sehe ich das auch. Eine Dialyse kostet um ein Vielfaches und zwar lebenslang. Ich bräuchte lächerliche EUR 1.000,- pro Jahr, mehr zahlt die Kasse eh nicht. …. wenn ich mich an die Patientenanwaltschaft wende, kann schon sein, dass ich im TV lande. Ich fürchte bloß, dass es die meisten Menschen überhaupt nicht irritiert, wenn Psychotherapie für Gewaltopfer nicht bezahlt wird. Psychotherapie ist bei den meisten keine Krankenbehandlung sondern zur eigenen Freude – eher nicht bei Trauma! Das verstehen die Wenigsten.
          Bzgl. Grippe bin ich schon fast genesen. Danke.
          Liebe Grüße
          „Benita“

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          1. Freut mich wegen der Grippe.
            Tja, es ist wirklich ein Dilemma mit den Kassen und dem Tabu -Thema Trauma und dessen Folgen. Wenig Verständnis, weil die keine Ahnung haben was in einem Kind so alles kaputt geht oder sich gar nicht erst entwickelt bei so viel Gewalt. Viele sehen es nicht als Krankheit und schon gar nicht als lebensgefährlichen Zustand an (wegen Suizidalität). Trauma ist ja Normalität oder etwas worüber man nicht spricht und was nicht existieren darf. Kriegs-Trauma ist ja noch Gesellschafts fähig, aber DIS? Und viele meinen nach ein Paar Jahren muss langsam gut sein! Die haben sowas von keine Ahnung! Aber sie wollen diese Ahnung auch nicht haben. Augen zu und durch. Wo kämmen wir denn hin, wenn jeder seine Traumatas offenbaren und auch noch therapieren wollte? System Zusammenbruch wäre die Folge!

            Das ist echt schlimm! Und wenn man nicht nach paar Jahren durch ist, ist man abgestempelt als Simulant oder Psycho…
            Doch ich glaube, dass das nicht öffentlich bekannt werden darf, niemand soll sehen wie respektlos Kassen mit Menschen umgehen, daher könnte TV durchaus etwas bewirken. Wäre ja nicht das erste mal. Öffentlich darf es keine Ungerechtigkeit geben in dieser Welt, da gehen dann viele auf die Barikaden.

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            1. ……. das wäre schön, wenn es so wäre, dass zumindest der Schein gewahrt werden soll. Aber wenn ich mich erinnere, wie beschimpft Frau Kampusch hierzulande wurde, bloß weil sie öffentlich sprach? Ich bin disbezüglich leider skeptisch. Aber wir werden sehen, wie es sich entwickelt.

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              1. Es muss vielleicht die richtige Sendung sein. Eine, wo man auf unserer Seite ist und nicht die der Täter- Gesellschaft. Auf keinen Fall eine Sendung, wo Dinge aus dem Zusammenhang gerissen werden durch entsprechendes Schneiden, wie es bei vielen Sendern Gang und Gebe ist. Ein seriöser Sender wie ARD wäre ebenfalls glaubhafter als sagen wir mal RTL, denk ich. Eine Sendung, die die wahren Folgen erwähnt und auch die Wichtigkeit der Therapie.
                Klar wird es immer welche geben die pöbeln. Wahrheit ist oft störend! Holt einen womöglich noch aus dem Schlummer-Schlaf!

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                1. Das kann ich gut verstehen. Sich offensichtlich zu zeigen würde mir Angst bereiten. Für mich war es schon schwer mein Blog zu schreiben trotz der Anonymität. Hab immer Angst etwas zu veröffentlichen, immer Angst es sehr bereuen zu müssen, von denen entdeckt zu werden…
                  Es wäre schon mega mutig im TV zu reden, selbst wenn Stimme und Gesicht verfremdet werden würden.
                  Daher wünschen wir euch, es möge nicht not tun.

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