Ein interessantes Leben

Wir sind eingedeckt, die Verlassenschaft unserer Großtante zu regeln. Vieles gäbe es dazu zu schreiben. Dazu fehlen mir gerade Kraft und Zeit.

Allerdings habe ich heute beim Blättern in ihren Dokumenten entdeckt, dass sie jenes Auto, das ich nun verkaufen muss, erst vor fünf Jahren gekauft hatte.

Damals war sie in ihrem 91. Lebensjahr! Hätte ich in diesem Alter noch ein neues Auto gekauft? Selbst wenn es ein Gebrauchtwagen war? Hätte ich tatsächlich so intensiv bis zuletzt gelebt, wie es sich für uns darstellt, wenn ich in ihrer Wohnung sitze und ihre Präsenz spüre? Es berührt uns dieses Leben und ihren Charakter in Anklängen zu erfassen. Anhand ihrer Bücher beispielsweise. Ich bedauere, dass ich sie nicht zu ihren Lebzeiten kennen lernen durfte. Ich war ein Kleinkind, als ich sie zuletzt gesehen hatte. Dann wollte wohl auch sie keinen Kontakt zu meinen Eltern und ließ uns Kinder alleine. Wie die meisten anderen Verwandten ebenso. Schade, dass ich nie eine Antwort bekommen werde, warum?

Es passt nicht zu diesem wachen, interessierten Geist, der mir in ihrer Wohnung zu begegnen scheint. So gerne möchte ich mir diese Lebenslust bis zuletzt als Vorbild nehmen, wäre nicht ihre Absenz in meiner Kindheit, die weh tut, auch wenn ich Erklärungen dafür finden kann.

Ich will verstehen und doch nicht in ihren Sachen wühlen um sie heute kennen zu lernen. Wie schaffe ich diesen Spagat zwischen dem mich berühren lassen und forschen nach diesem Leben und dem nicht gegen ihren Willen in ihren Sachen lesen? Ich kann sie nicht mehr fragen, was ich lesen darf und welche Fotos ich ansehen darf.

Und doch ist es uns so wichtig, wieder ein Puzzle mehr zu verstehen.

(Foto: Auf diesem Klavier spielte die betagte Großtante bis zuletzt. Wie gerne hätte ich mein gesamtes Leben Klavier spielen gelernt. ….. )

40 Gedanken zu „Ein interessantes Leben“

  1. Hallo „Benita“! Dein Text erinnert mich daran, dass ich einen Computer von meinem verstorbenen Onkel bekommen habe, als das Erbe aufgeteilt wurde, und mir war gar nicht so bewusst, dass ich irgendwie Probleme habe, ihn zu verwenden. Und ich verwende ihn auch nie. Er ist quasi der Ersatz-Computer, falls mein derzeitiger plötzlich kaputt werden sollte. Irgendwie habe ich da eine Hemmschwelle, eigenartig.
    Ich bin mir sicher, dass du diese Aufgabe, den Nachlass zu verwalten, gut meisterst!!
    Liebe Grüße, Bernhard

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    1. Danke, lieber Bernhard. Ich werde es schaffen, wie auch immer. So schnell, wie ich hoffte geht es sich jedoch nicht aus. Sophie’s Anregung (siehe Kommentare) mit meiner Großtante in Kontakt zu treten half mir sehr. Damit kann vielleicht nicht jedeR etwas anfangen, aber ich weiß, dass es Kontakt jenseits von Zeit und Raum gibt. Und es half mir, diesen Kontakt herzustellen. Ich bat sie um Hilfe und habe den Eindruck, dass ich die auch bekomme.
      Vielleicht ist das auch eine Idee wg. dem geerbten Computer für dich?
      Liebe Grüße
      „Benita“

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      1. Hallo „Benita“! Ich glaube auch an den Kontakt jenseits von Raum und Zeit. Aber das ist immer anders, als man es sich vorstellt.
        Manchmal denke ich mir, dass mein Onkel einfach seinen Ort im Jenseits gefunden hat, weil er lächelt einfach nur, wenn ich ihn kontaktieren will. Und das freut mich sehr, weil er hatte kein leichtes Leben!
        Liebe Grüße, Bernhard

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  2. Dein Leben ist ja noch nicht vorbei… 😉Fang doch an Klavier zu lernen, wenn jetzt schon ein Instrument dafür zur Verfügung steht. Falls dauerhaft Stunden zu teuer sind, kann man sich privat auch immer wieder mal eine leisten oder zunächst mit guten Büchern anfangen. Wenn es dein Wunsch ist, trau es dir jetzt zu und lebe diesen Traum! 😊

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    1. Liebe Sofie,
      Klavier spielen lernen wollte ich ohnedies in meiner neuen Wohnung. Hier ist es unmöglich wegen der Hellhöigkeit des Hauses. Das wunderschöne Klavier werde ich schon aus Platzgründen etc. nicht behalten können. Habe dazu einen längeren Kommentar an Lu (finbarsgift) geschrieben. …… Oh nein, es ist nicht vorbei, aber es sind sehr viele unterschiedliche Gefühle da und viel Aufruhr innen.
      Alles Liebe
      „Benita“

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  3. Liebe Benita, ich dachte so beim Lesen, na klar kannst du sie fragen, ob du ihr Welt erforschen darfst. Vielleicht gibt es eine feinstoffliche Antwort?
    Als meine Oma gegangen war, hatte ich einen kurzen sehr bereinigenden Austausch mit ihr.

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      1. Das kann ich gut verstehen, dass das ein Wagnis ist. Vielleicht ein behutsames: „darf ich dich was fragen…?“
        Wenn du dann eine Verbindung spürst, passt das.
        Diese Verbindung hat sich für mich bei unterschiedlich Gegangenen immer ganz zart, weich und liebevoll angefühlt. Auch nach Frieden und Freiheit.

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        1. Vielen lieben Dank für deine hilfreichen Erfahrungen, die du mit mir teilst, liebe Sophie. Ja, so kann ich es versuchen. Mir wirklich viel Zeit dafür nehmen und in Ruhe und achtsam und behutsam die Verbindung suchen. Meinst du es ist besser in ihrer Wohnung oder bei mir daheim? Oder ist es eigentlich egal, weil wir uns ohnehin jenseits von Zeit und Raum bewegen?

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            1. Danke dir, liebe Sophie. Ich fühl einfach genau hin und wenn ich achtsam frage, werde ich eine Antwort erhalten. Du hast uns sehr, sehr geholfen mit deinen Kommentaren. Einfach auch verstanden zu werden, was ich meine. 💖😊 Danke aus tiefsten Herzen. Das ist uns wirklich so enorm wichtig und du hast das wichtige in unserem Beitrag erfasst. 🌻
              Alles Liebe ❤️🕊️
              „Benita“

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              1. Und wenn du hinspürst und nichts fühlst, dann ist das auch ok. Bei der zweiten Partnerin meines Opas, hab ich z.b. nichts gespürt. Sie war für mich nicht erreichbar, vielleicht weil keine direkte Verwandtschaft.
                Dann darfst du deinem eigenem Gefühl vertrauen.

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                1. Liebe Sophie,
                  Ich hab gestern den Kontakt gesucht und gefunden. 😊
                  Ich habe sie um Hilfe gebeten, den Nachlass gut abzuwickeln. Ich habe den Eindruck, dass ich diese Hilfe erhalte und ich ruhiger damit werde.
                  Alles Liebe
                  „Benita“

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    1. Lieber Lu, das wäre sehr schön, aber sehr schweren Herzens muss ich es wohl weggeben, weil es einerseits zu groß für meine Wohnung ist und mir anderseits auch dessen Transport zu teuer kommt. Wir brauchen auch erst eine Schätzung über den Wert des Stutzflügels. ….. Mein Bruder hätte ihn auch gerne, aber ihm kommt der Transport noch teurer wg. der Distanz. Wenn der Wert hoch genug ist und ich ihn verkaufen kann, vielleicht kauf ich mich dann vom Erlös ein Klavier in meiner neuen Wohnung??? Das wäre schön schön! ….. Hab aber ehrlich überlegt, ob ich nicht in die Wohnung der Großtante ziehen sollte, dann könnte ich das Klavier behalten. …… Ist aber wohl auch nicht die ideale Möglichkeit? …… *seufz*
      …… Vielleicht ergibt sich noch etwas, wo ich ihn einstellen könnte bis zur neuen Wohnung. Das ist aber auch teuer. …..
      Herzliche Grüße
      „Benita“

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    1. Das kann ich natürlich nicht wissen, ob ich dann eine Chance gehabt hätte Klavier zu lernen. Ja, ich hätte gerne Kontakt zu ihr gehabt, hätte ich gewusst, wie interessant sie war. Mir scheint, dass sie mir nahe sein hätte können. Aber niemand aus der doch größeren Familie wollte Kontakt mit meinen gewalttätigen Eltern. Ich lernte viele Verwandte als Kleinkind kennen und mögen und offenbar waren sie ohnmächtig gegen die Gewalt und den Jähzorn unseres Vaters und als ich ca. 6 Jahre war, waren alle Verwandten bereits geflüchtet und es gab keine Besuche mehr. Das tut enorm weh, noch immer. Ich habe diese Verwandten als „liebevoll“ in mir erinnert und mich als Kind an diesen wenigen zärtlichen Momenten dieser Verwandten festgehalten, aber sie ließen uns als Kind alleine und halfen uns dennoch durch die Erinnerung. Da ist viel Ambivalenz innerlich.

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      1. oh ja – ich verstehe dich sehr gut! Als Kind ist man solchen Erfahrungen einfach „irgendwie ausgeliefert“ … alle schauen weg … anstatt für die Seele des Kindes „zu kämpfen“ … in Wahrheit ist das echt traurig…

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        1. Stimmt, als Kind waren wir ausgeliefert, aber es war auch eine andere Zeit. Gesellschaftlich war damals der Ehemann noch von Gesetz her das Familienoberhaupt mit der ERLAUBNIS seine Frau und die Kinder zu schlagen und über sie zu bestimmen. …… Damals war es gesetzlich verbrieft, dass sich niemand in familiäre Angelegenheiten einzumischen hatte. Die Verwandten hätten nirgendwo Unterstützung bekommen mir zu helfen! ….. Das war das Entsetzliche, wenn der Staat Gewalt gegen Kinder und Frauen erlaubt. Darum ist so wichtig für die Rechte von Frauen und Kindern zu kämpfen, weil sie auch heute wieder bedroht sind von manchen Politikern.

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          1. Verzeih mir meinen „direkten und abschließenden Kommentar“ dazu:

            Wir Frauen gebären die Kinder der Zukunft, wir Frauen gebären deswegen auch die Männer der Zukunft. Setzen wir doch dort an „der Wurzel“ an und erziehen sie „unbeeindruckt des männlichen Einflusses“ zu liebevollen, weltoffenen, respektvollen und wertschätzenden Menschen. Wir können das! Wir sind stark!

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            1. Ich mag direkte Worte. Erlaube mir eine direkte Antwort: Ja, wenn’s so leicht wäre. Wir Frauen stehen nicht außerhalb der Gesellschaft und Buben (Jungs) identifizieren sich mit der Väter Generation. Ich habe mich viele Jahrzehnte mit den Strukturen von Gewalt in der Familie und gegen Frauen auseinander gesetzt. Das sind sehr komplexe psychologische Strukturen die da greifen, da können sich kaum welche hinwegsetzen. (Kann ich hier am Kommentar nicht genau ausführen, weil es zu lang wird.) Zudem Frauen, die selbst Gewalt erleben, wie sollten sie liebevolle und starke Mütter sein, ohne selbst Hilfe zu erhalten? Nein, der Gedanke, dass es die Frauen alleine könnten gibt Frauen eine Verantwortung, die sie nicht tragen können und wenn’s nicht klappt eine Schuld, die sie nie alleine haben. Und Frauen sollten nicht alleine für die Erziehung verantwortlich sein, das ist meiner Ansicht nach, eine Vorstellung, die nichts bessert. Es klappt leider so nicht, auch wenn’s schön wäre.

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              1. Da „stichst du genau ins richtige Thema“ sozusagen. Richtig – Frauen die selbst Gewalt erlebt haben entwickeln ihr „eigenes Konzept“ um überhaupt im Leben „überleben“ zu können. Bin ich voll eins mit dir! Aber die Chance sehe ich im Wandel der Generationen. Viele Frauen „erwachen“ aus ihren Traumatas.

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  4. Liebe Benita 🙂

    Glaubst Du nicht, dass vielleicht eine göttliche Absicht; eine Fügung dahinter steht, dass nun DU es bist, die in diesen Räumen Einlass bekommt?
    Ich persönlich bin in meinem Leben davon überzeugt, dass nichts aus Zufall in mein Leben kommt. Und selbst wenn die Aufgabe darin bestünde, Respekt und Achtung zu zollen, so besteht doch die Möglichkeit, ACHTSAM die Dinge anzusehen, über deren weitere Zukunft Du entscheiden sollst.
    In Respekt zu entscheiden, wohin die Dinge kommen sollen. Und hierzu ist es durchaus notwendig, näher hinzusehen.
    Ich wünsche dir sehr viel Freude, wegbereitende und gute Erkenntnisse und neues Verstehen bei deiner Aufgabe.
    Luise

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    1. Danke, liebe Luise,
      Du hast so Recht mit der göttlichen Fügung. Es sind viele „Zufälle“ zusammen gekommen, dass ich nun diese Aufgabe übernommen habe. Eigentlich hätte es mich gar nicht betreffen müssen. Per Zufall, oder eben Führung habe ich diese Aufgabe von meiner Mutter, die es machen müsste übernommen und ich bin froh darum. Es war wie geführt, als hätte es auf mich gewartet. Ich sehe meine Mutter ja nur einmal jährlich. Und es war genau der richtige Zeitpunkt, sonst hätte ich wohl gar nicht davon erfahren, dass die Tante gestorben war. Und ich sehe schon, dass ich mich mit Respekt annähern werde. Es gehen so viele Gedanken und Gefühle durch und durch, die wir niederschreiben wollten.
      Alles Liebe
      „Benita“

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