Liebe zwischen Flashbacks

Dieser Beitrag ist bereits vor einer Woche entstanden und beschreibt eine Gefühlslage, die sich über mehrere Wochen aufgebaut hat, jedoch nach der letzten Therapie etwas Erleichterung gefunden hat. ….. Vieles geht derzeit durcheinander innen. ….


Tief im Herzen ist ein unerträglicher Schmerz, der auf- und abschwillt. Vieles ist geschehen und hat Erfahrungen ins Bewusstsein gedrängt, die als latente Ahnung im Hinterkopf darauf warteten hervor zu brechen.

Sind es die CBD-Tropfen, die Zugang zu neuen Schichten des Unterbewusstseins schafften oder Innenwesen, die lange geschlafen hatten wach geküsst haben? Letzteres fühlt sich öfter plausibel an, wenn wir durch die Straßen unserer näheren langjährigen Wohnumgebung gehen und immer wieder blitzen Gedanken der Verwunderung auf, noch nie hier gewesen zu sein und dies und jenes noch nie gesehen zu haben. Vielleicht sind auch beide Beschreibungen wahr?

Manchmal scheint es bloß ein anderer Blickwinkel zu sein, ein Blick in die Ferne, der noch niemals gewagt oder eingenommen wurde zuvor, der unsere Aufmerksamkeit fesselt.

Die Sonne strahlt vom wolkenlosen Himmel und es sind beide Pole des Gefühlsspektrums so ungewohnt nahe(?!!) spürbar. Schmerz und Leid, die in bodenlose Tiefen ziehen und auch die Freude und Liebe im Herzen, beim Anblick der Knospen an den Ästen der Linde vor unserem Fenster.

…. UND….

Da gibt es eine Frau in der Baugruppe, ich nenne sie einmal G. Wir hatten uns recht schnell angefreundet und einander freundschaftlich kennengelernt. Vor einigen Monaten wurde aus der Freundschaft dann ein ganz kleines bisschen mehr. Es knisterte und wir leben in einer außerordentlich vorsichtigen Annäherungsphase. So will ich es einmal nennen. Das ist wunderschön und unfassbar anstrengend.

Es ist auch diese Annäherung die so viel ins Bewusstsein spült.

Irgendwann nach über 15 Jahren alleine Leben, ohne Beziehung hatten wir es aufgegeben und akzeptiert unser Leben alleine verbringen zu müssen. Wir hatten die Türe, die für Beziehungen zumindest einen kleinen Spalt offen gewesen war, zugesperrt und den Schlüssel irgendwo gut versteckt. Ein Regal davor und so gelang es uns dieses Thema weitgehend zu „vergessen“ – oder doch eher verdrängen? Wir wollten daran nicht mehr rühren. Sobald irgendein äußerer Reiz kam, daran erinnert zu werden, wurde der tiefe Schmerz unerträglich und wurde notgedrungen wieder beiseite geschoben. Wir wollten überleben, das war das oberste Ziel. Dazu sind Freundschaften wichtig und andere Sozialkontakte, Beziehung und Liebe nicht notwendigerweise! Zum überleben! Zum lebendig fühlen vielleicht schon?

In den letzten Jahren dachten wir dann, dass wir uns so sehr verlieben müssten, uns auf eine andere Person einzulassen, dass wir keinesfalls anders könnten. Der Schmerz eine Annäherung zu unterlassen müsste größer sein, als der Schmerz alleine zu sein. Das war eine fast unerfüllbare Voraussetzung, war der Schmerz alleine zu sein doch so übergroß. Da ist sie, die riesige Angst vor dem Scheitern in Liebesdingen.

Nun, ich habe die Annäherung nicht gewagt, selbst wenn wir bereits länger überlegt hatten und es uns über ein halbes Jahr hinzog zu ihr, ging doch der Schritt der die platonische Freundschaftsgrenze zu überwinden trachtete von ihr aus. Verbal und nonverbal.

Eine so schwierige Aufgabe, nicht nur für uns, das ist uns mehr als bewusst. Aber wir wurden noch nie geliebt, außer von Timmi, dem Kater und das ist nicht wirklich vergleichbar. Zwei Ehen waren auch nur Vergewaltigungserfahrungen, alle anderen Beziehungen, immer mit Männern, davor ohnedies. Manchmal grausamer, manchmal weniger grausam. Wir wollten so etwas niemals mehr erleben, niemals!

Wurde nun die Türe geöffnet und all der Staub und Erinnerungen, die mit einer Liebe zu tun hatten irgendwann, bliesen uns ins Gesicht? Und ihr auch? Das tut uns so leid! Ungefähr 25 Jahre alleine durchs Leben gehen, darf das vielleicht ein Ende haben? Oder zumindest eine Unterbrechung? Dürfen wir hoffen? Es ist doch so schwierig mit uns. Und ich will so vorsichtig sein und nichts gefährden, kein Pflänzchen zertreten, das sich erst vorsichtig und zart aus der Erde schiebt.

Und zugleich merken wir, dass wir ungleich größere Bedürfnisse und Anforderungen stellen  m ü s s e n  an eine, die uns auch körperlich nahe kommen darf, als an eine Freundschaft. Es ist unabdingbar UNS kennenzulernen und auch Switches vor allem zu Innenkindern zu erkennen. Freundinnen und Freunde haben dies bislang immer zurück gewiesen. So wichtig war ich noch nie jemandem außerhalb des therapeutischen Rahmens. Könnten wir diese Switches überhaupt schon erkennen um dieses Wissen zu vermitteln? Es ist eine so große, aber auch schöne Aufgabe, all dies lernen zu dürfen, mitsammen. Bleibt die Geduld, die sie mit uns hat tatsächlich? Nun, diese Verlustangst ist in anderen Dimensionen wohl allen Liebenden bekannt. Es ist nicht wichtig, daraus etwas besonderes zu machen.

Als ich unsere „besonderen Bedürfnisse“ erkannte, wusste ich, wir müssen es besprechen. Auch unsere Blogbeiträge hatten sie bereits wissen lassen, dass es Schwierigkeiten gab, in der Baugruppe. Aber was ich G. sagen musste, klärten wir dann weiter bei einem langen Sonntagsspaziergang vor über einer Woche.

G. bemühte sich so. Ja, sie will uns kennenlernen, mit unserer Hilfe freilich. Wir konnten es kaum glauben, dass sie so reagiert hatte, wie sie reagiert hatte. So ein Glück!

Später jedoch, als wir einander verabschiedet hatten und ∑ich danach ∑alleine daheim war, vergingen kaum fünf Minuten und wir lagen mit massiver Migräne im Bett. Und diese Kopfschmerzen gepaart mit so extremen Suizidgedanken wie seit Jahren nicht mehr, Fressanfällen, Selbstverletzungs- und Fluchttendenzen verfolgten uns noch mehrere Tage. Zwischendurch Flashbacks, die gar nicht so schlimm waren, aber doch keine Ruhe zuließen.

Erinnerungen an eine Zeit in unserer Jugend, als jeder Sonntagsausflug mit den Eltern zu einer Burg mit Folterkammer oder zumindest zu einem Museum mit Folterinstrumenten führte, kamen ins Bewusstsein. Unser Erzeuger zeigte uns damals sichtlich zu seiner Erbauung die „eiserne Jungfrau“ und erfreute sich sehr an dem „Witz“, dass das doch etwas Feines für mich, seine Tochter, wäre. Die Panik von ihm ermordet zu werden, wenn wir nicht so funktionieren, wie er es wollte, wollte er wohl mit solchen Aussagen nähren. Es war ihm damals gelungen und scheinbar ist die Angst bis heute vorhanden, obwohl er seit bald 18 Jahren totseit bald 18 Jahren tot ist. Aber warum fiel uns das in diesem Zusammenhang ein?

Vor einigen Jahren hatten wir inspiriert von einer befreundeten Künstlerin ein Kunst-Projekt oder vielleicht eher Kreativ-Projekt umzusetzen versucht. Die  Arbeit steht sicher schon 10 Jahre unvollendet in der Wohnung. Fertig wird sie wohl nicht mehr, aber die Aussage ist noch immer stimmig. Wir wollten damals darstellen, wie schmerzhaft Kommunikation mit uns sein kann, sowohl für uns, als auch für jene, die sich auf uns einlassen. Es ist ein Käfig, der lange Stacheln nach innen hat und kurze nach außen. Wir leben in diesem Käfig oder Panzer um uns herum. So werden sowohl wir, als auch jene, die uns liebevoll umarmen wollen verletzt durch diese zärtliche und tröstliche Handlung. Zurück bleiben Einsamkeit und Isolation oder das Schuldgefühl andere zu verletzen, sobald sie uns nahe kommen mögen. Schmerzen, welche die Gewalt aus unserer Vergangenheit ins Heute holt. Selbst wenn die Verletzungen in diesen 10 Jahren schon sehr stark reduziert wurden, so finden sie doch noch statt, ohne dass es jemand möchte. Stand die „eiserne Jungfrau“ Pate für diesen Käfig, den wir um uns herum imaginierten?

Das Chaos im Kopf und die Nervosität nahmen kein Ende, sodass wir beschlossen, wir müssen einen Telefonnotruf anrufen, um uns zu sortieren. Zumindest hatten wir außer dem Fressen keinem Selbstverletzungsdruck nachgegeben – fast nicht. Ein Wimmerl durfte nicht abheilen und wurde immer wieder aufgekratzt vor Nervosität und das Handy-spielen nahm überhand.

Das Telefonat half die Tendenz aus dieser Freundschaft davon laufen zu wollen als Verlustangst zu identifizieren. …. Obwohl es so wahr ist, hatten wir unsere Dynamik: „Bevor mich jemand verlässt, gehe ich lieber!“, die uns doch so bekannt ist, abermals nicht durchschaut. …. Jetzt aber ging es uns etwas besser. Erste Tränen kamen, weil doch das Äußern von notwendigen Bedürfnissen immer Bestrafung und Liebesentzug bedeutete. …. Wir waren noch immer im Flashback, bereits den vierten Tag.

Es sollte noch weitere drei Tage dauern, bis endlich der letzte Rest hervorbrach. Eine Vergewaltigungserinnerung aufgrund unserer sexuellen Orientierung, die seit Jahren als Ahnung im Hinterkopf schwelt, aber immer wieder vergessen werden konnte. Es gab ja keine Auslöser!

Es war zu einer Zeit, als wir selbst noch nicht wussten lesbisch zu sein. Wir waren zu jung um uns vollends klar darüber zu sein. Unser Erzeuger schien es früher erkannt oder soll ich sagen „befürchtet?“ zu haben, als wir selbst. Ich glaube zu erinnern, wann genau die Vergewaltigung stattgefunden hatte, auf alle Fälle war klar, dass sie stattfand und es erklärt so vieles. Die aktuelle Panik vor Nähe und die noch viel grausameren Versuche einer Beziehung mit Männern. Uns selbst zu verleugnen aus Todesangst.

Vergewaltigungen sind immer brutal und grausam, aber zumeist ging es um Macht. Darüber konnten wir uns leichter hinwegsetzen, weil es die Täter so erbärmlich dastehen lässt. Hier ging es darum uns zu zerstören und im tiefsten Inneren brechen zu wollen und zwar genau mit dem Ziel, dass ich nicht sein darf, wie ich bin. Die Erschütterung ist um so viel tiefer. Wir haben keine Worte für die Wunde in uns. Aber sie wird heilen, das wissen wir. Wir holen uns unser Leben zurück und unsere Lebendigkeit ebenso! Das haben wir uns verdient!

 

9 Gedanken zu „Liebe zwischen Flashbacks“

  1. Liebe Benita,
    Ich wünsche dir so sehr, dass du die Nähe zulassen und dich auf die Beziehung einlassen kannst. Ich weiss aus eigener Erfahrung wie schwierig das ist. Ich habe selber die Hoffnung auf eine Beziehung schon lange aufgegeben, aus Angst, dass ich das aufgrund meiner Vergangenheit nicht kann. Trotzdem glaube ich, dass ein Leben mit jemandem an seiner Seite sehr schön und wertvoll sein kann. Lass dir Zeit, so wie es sich anhört, will sie dir die Zeit, die du brauchst, um Vertrauen zu fassen, auch geben. Du machst mir Hoffnung, dass es vielleicht eines Tages auch für mich möglich sein wird, mich auf einen anderen Menschen einzulassen.
    Fühl dich ganz fest gedrückt.
    Ut

    Gefällt 2 Personen

    1. Liebe Ut,
      Wir freuen uns sehr über deine Zeilen und die liebe Umarmung. 😀🤗 Danke! 💖
      Wie du gelesen hast, hatten wir auch die Hoffnung aufgegeben, aber nun sieht es gut aus. Verständnis und Geduld für meine/unsere Situation sind von ihr da. ….. Es wird nicht einfach, aber bei welcher Beziehung ist es das schon? ….. Ich denke, dass irgendwann wenn du gar nicht damit rechnest die Liebe auch bei dir wieder anklopfen wird. Das wünschen wir dir von Herzen.🍀🍀🍀💕🌷
      Alles Liebe und ich drück dich auch lieb.
      „Benita“

      Gefällt 1 Person

  2. Liebe Benita,
    ich wünsche Euch alles erdenklich Gute und Schöne in dieser aufkeimenden Liebe.
    Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft Sehnsucht sein kann. Und ich hoffe und bete, das Eure Verlustangst nicht größer ist, als dieser Schmerz der Sehnsucht nach einen Menschen, den man wirklich liebt.
    Aus meiner Erfahrung rate ich Euch aber auch, zeigt alles von Euch, was ihr zeigen könnt. Das seid Ihr, das ist das ΣWesen, das liebt. Das ist das ΣWesen, das geliebt werden möchte.
    Bei der Frau mit DIS, die ich damals kennen lernen durfte, habe ich auch ohne Erklärungen sehr schnell erkannt, wenn ein Switch stattfand – teilweise konnte ich sogar die Art der Persönlichkeit am Gesichtsausdruck erkennen. Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber ich glaube, die meisten Menschen sind in der Lage, solche Veränderungen zu erkennen, wenn sie wissen, das es sie gibt und ggf. was sie bedeuten.
    Ein Mensch, der liebt, ist bereit einiges auf sich zu nehmen, um seine Liebe auch leben zu können. Genau diese Stärke wünsche ich Euch und auch ihr.
    👍💚🍀

    Gefällt 1 Person

    1. Vielen herzlichen Dank, lieber Ankordanz für die lieben Wünsche und Worte, die mich/uns sehr berühren. Danke auch sehr fürs erzählen der Erfahrung mit der Frau mit DIS. …. Ja, auch ich finde es ist essentiell alles zu sagen, was uns möglich ist.
      Auch dir wünschen wir alle Stärke und das Beste für dich und diesem Menschen, den du so sehr liebst im Kontakt miteinander. Das wünsche ich euch von Herzen.
      💚🤗🙏🎶
      Alles Liebe
      „Benita“

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  3. Liebe benitas, sind sehr gerührt von euren Worten, denn ja sie kommen uns si schmerzlich bekannt vor, diese Beziehungen zu Männern, diese Angst vor Nähe , das weglaufen davor, aber auch diese Sehnsucht.. Wir hatten vor ca 2 Jahren eine Erfahrung mit einer Frau, eine gute , denn sie hat das Herz höher schnellen lassen, doch es hat leider nicht funktioniert, sie hatte zu viele eigene Probleme und noch einen Mann..waren sehr zerissen denn einerseits waren treffen wirklich toll, und andererseits sind wir nach den treffen buchstäblich auseinander gefallen..wir wünschen euch von Herzen ein ankommen, ein aufgefangen werden und eine liebe die euch trägt , weiter trägt..

    Gefällt 3 Personen

    1. Vielen herzlichen Dank, liebe blickinanderewelten (ich hoffe, die Anrede passt so?!),
      auch wir wünschen euch von Herzen eine Liebe die Kraft gibt und auch die Kraft und Mut in euch selbst für eine Liebe. …. Ja, es ist schwierig sich einzulassen. ….. Nähe löst so viel aus. Es tut uns leid, dass es mit der Frau bei euch nicht geklappt hat. Möge zum richtigen Zeitpunkt (vielleicht bald?) wieder eine Person euch nahe sein dürfen und wollen. ….. durchatmen und weiter gehen, so ist das Leben und mit schwerem Trauma nochmals.
      Ganz herzliche Grüße
      „Benita“

      Gefällt 1 Person

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