Das innere vibrieren! Und wie weiter?

Langsam kommen wir ein klein wenig zur Ruhe hier in unserem Sommerfrische-Domizil.

Die letzte Aufregung rund um unser Wohnprojekt ist vier Tage her und seit drei Wochen beantworten wir zwei offene Mails der Baugruppe nicht.

Die massive Überforderung des vergangenen Jahres mit der Verlassenschaft der Großtante und sehr viel Engagemant (für unsere Möglichkeiten) in der Baugruppe sind derzeit entweder weitgehend erledigt oder im Urlaubsmodus. Das ständige Gefühl wieder auseinander zu fallen, das sich immer einstellte wenn wir die Kräuterkapseln von unserem brasilianischen Heiler nicht oder sehr reduziert nahmen wurde mittlerweile zum Alltag. Schon wenn wir statt einmal wöchentlich zwei Kapseln mit einem Tag Unterbrechung nehmen, so wie vergangene Woche, geht es uns um Vieles besser. Nervosität und Angst vor Menschen verringern sich so massiv, dass der Kontakt mit anderen Menschen um so vieles einfacher und befriedigender ist.

Auch aufgrund dieses so anstrengenden Hintergrundes ist die Frage, „wie weiter“ mit dem Wohnprojekt, mit uns in dem Wohnprojekt, mit uns ohne Kräuter aus Brasilien in dem Wohnprojekt etc., in jedem stillen Moment bei uns. Sie begleitet uns beim Einschlafen und beim Erwachen. Und sie stürzt uns in eine tiefe Traurigkeit, die uns wie ein Schatten verfolgt. Zusätzlich ist die Situation in der Baugruppe derzeit, euphemistisch gesagt, schwierig. Aber wo ist es mein Wahnsinn und wo der Wahnsinn der derzeit im Wohnprojekt herrscht?

Es ist schlimm diverse Symptome komplexer Traumata im Leben zu fühlen. Ist es jedoch härter, wenn ein Symptom, dass als erledigt galt plötzlich wieder auftaucht, oder ist es schmerzhafter überhaupt nicht zu wissen, dass dieses Symptom überhaupt weg gehen könnte? Irgendwie hilft es zu wissen, wohin ich möchte. Es ist angenehmer als daran zu verzweifeln, dass diese Distanz zu anderen Menschen niemals ein Ende finden kann.

Früher haben wir uns einfach versteckt, weil die psychischen Schmerzen im Kontakt mit anderen Menschen zu groß waren. Wir sind kaum hinaus gegangen. Das minimierte die Trigger enorm. Es war lange Zeit die einzige Möglichkeit zu überleben, maximal zweimal pro Woche anderen Menschen zu begegnen. Dann wurde Kontakt mit Menschen angenehmer und wir fühlten uns so einsam daheim. Wir suchten den Kontakt und kamen in die Baugruppe. Und jetzt? Uns zu verstecken geht nun kaum.

Wir können nicht aufgrund einer fehlenden Medikation alles hinwerfen. Das wollen wir auch nicht! Permanent fürchten wir, dass unsere Wahrnehmung nicht stimmt. Anderseits sind wir überzeugt, dass die Situation in der Baugruppe tatsächlich in einem Zustand ist, der so nicht hingenommen werden sollte.

Wir sind nun seit fast 2 ½ Jahren in der Baugruppe und haben uns im Rahmen unserer Möglichkeiten, die uns so ungenügend erscheinen, auch stets engagiert. Auch oft über unsere Belastungsgrenze hinaus. Wir wollten, dass dieses Projekt funktioniert und wollten daher auch gerne Verantwortung für dessen Gelingen übernehmen. Seit sich jedoch der Baubeginn mittlerweile massiv verzögert und wir keine definitive Aussage für einen Baustart erhalten, ist das Interesse vieler zukünftiger Nachbarn sich selbst einzubringen, oder auch nur in Kontakt mit den anderen zu bleiben meiner Ansicht nach minimal bis nicht vorhanden. Das ist unser Eindruck. Auch dass bereits vier Leute aus der Baugruppe wieder ausgetreten sind, hilft nicht die Zuversicht zu erhöhen. Weder jene der anderen, noch die eigene.

Die aktuelle Situation triggert an allen Ecken und Enden. Kommt das permanente innere Vibrieren und Zittern auch daher?

…… Schreibpause mit durch den Garten schlendern, Kater streicheln und drinken einer „goldenen Milch“ (2 TL Kurkuma, etwas Pfeffer in warmer Reismilch), was die Symptome wesentlich verbessert hat. Besonders die „goldene Milch“ hat die Traurigkeit gelindert. ….. Ob Kurkuma hochdosiert tatsächlich gegen Depressionen helfen kann, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Allerdings hatten wir zuvor ganz vergessen gehabt, dass es helfen könnte und plötzlich ging es uns besser. …… Uns ist es egal, ob es eine eingebildete Besserung der depressiven Symptome ist, oder der Wirkstoff wirklich Erleichterung bringen kann. Hauptsache es geht uns etwas besser! …..

Zurück zu den Triggern. Immer wieder fühlen wir uns ausgenutzt von jenen, die nichts zur Gemeinschaft beitragen und nicht einmal per Mail ihr Interesse bekunden und auf Aussendungen reagieren. Dieses ausgenutzt und benutzt fühlen kennen wir doch so gut. „Benita“ hatte als Kind sämtliche Hausarbeit zu machen und einen Dank gab es nie dafür. Vielmehr Aufregung, wenn es nicht so geschehen war, wie erwartet. Da sind wir beim Trigger Überforderung durch Tätigkeiten, die ohnedies auf kein Interesse stoßen, obwohl ich mich sehr bemühe.

Vielleicht aber ist auch uns die Freude am Projekt abhanden gekommen, aufgrund der Verzögerungen und fehlenden Information. Vielleicht wollten wir es uns nur bloß nicht eingestehen. Wollten stark sein, wollten in dieser „freien“ Zeit eine Gemeinschaft formen und sind nun massiv enttäuscht, dass zu Viele dies so nicht möchten. Nein, alleine können wir keine (harmonische) Gemeinschaft erschaffen! Das können wir alleine nicht stemmen. — Schon wieder ein Trigger. Der Versuch mit aller Kraft aus unserer kaputten Familie eine Familie zu machen, wo Respekt und Liebe vorherrschen. Wir sind daran gescheitert! Fürchten wir nun, dass wir auch an der Gemeinschaftsbildung der Baugruppe scheitern werden? Vermutlich ist ein solcher Vergleich nicht hilfreich. Hilfreich ist jedoch, dass wir nun die Zeit hatten, diesen Trigger zu erkennen. Bewusstsein darüber wo es in uns hakt, ist der erste Schritt zur Lösung des inneren Chaos.

Nein, eine Baugruppe ist nicht nur ein Ende der Vereinsamung, es ist auch sehr viel Arbeit, Reibung und auch Enttäuschung. Und oft ist es vermutlich ein Abwarten, wie sich das Miteinander entwickeln wird. Gewalt sollte es nicht werden. Die herrschte jedoch in unserer Familie vor. Nein, Gewalt traue ich jenen künftigen Nachbar_innen, die wir kennen aus heutiger Sicht nicht zu. Und selbst wenn es solches geben sollte, könnten wir reagieren, uns wehren, für andere aufstehen. Die Zeit der Ohnmacht ist vorbei! Ich sehe die Gefahr der Gewalt in unmittelbarer Nachbarschaft in diesem Wohnprojekt wesentlich geringer als in anderen Wohnformen, wo Menschen in Miete in Häusern fast anonym nebeneinander wohnen.

Wichtig bleibt, kann ich ∑mich in der Gruppe wohl fühlen? Kann ich ∑mich in dieser Umgebung erholen? Finden WIR unseren Platz des Rückzugs? Können wir sein, wie wir sind? All diese Fragen sind für uns offen.

Und ja, wir haben auch große Angst, dass wir uns letztendlich dort nicht wohl fühlen werden, jedoch das Geld fehlt dort weg zu ziehen. DER Trigger unseres Lebens in Zusammenhang mit Wohnen. Haben wir jemals anders gewohnt, als in einer solchen Situation? Bislang nicht! Früher hatten wir jedoch keine Wahl. Im Grunde ist es das erste Mal, dass wir unsere Wohnung tatsächlich wählen können, ohne Zeitdruck und nach der kleinen Erbschaft auch mit einem für unsere Verhältnisse großem Budget. Eine Wahl zu haben, kann auch die Befürchtung Fehler zu machen erhöhen. Um diese Angst zu entkräften, bleibt nur die Frage: „Kann es schlechter werden, als es derzeit ist?“ Wir hoffen nicht, aber ist das zum jetzigen Zeitpunkt abzuschätzen? Es gibt nur eines, das uns an unserer derzeitigen Wohnung hält, das ist die Nähe des Waldes und der Natur. Allerdings zieht uns die Wohnung soviel Energie aus den Adern, dass für den Genuss der schönen Umgebung kaum Kraft übrig bleibt. Wie auch immer, wir müssen aus unserer derzeitigen Wohnung weg. Ob es die Baugruppe bleibt, in die wir hinziehen werden, haben wir noch nicht festgelegt und das müssen wir derzeit auch noch nicht.

Auch wenn das Leben mit offenen Entscheidungen immer wieder schwierig ist, so haben wir schon viele Fortschritte gemacht offenen Prozessen gelassener zu begegnen. Diese Baugruppe ist ein Prozess. Der nächste Lernschritt wir sein, uns früher zurück zu ziehen und uns Ruhe zu gönnen, bevor wir vor Überforderung ver- und an allem zweifeln!

Was uns ausmacht ist reflektiertes Verhalten. Es schenkt uns Kraft und zeigt uns den Weg auf, den wir weitergehen wollen. Uns DAFÜR Zeit und Raum zu nehmen, heißt für uns sorgen!!!

 

11 Gedanken zu „Das innere vibrieren! Und wie weiter?“

    1. Geplant und eingereicht und alles genehmigt. 3 x ja, fix und fertig! Aber dann die Ausschreibung für den Bau. Zwei Mal wiederholt. Als wir darüber sprachen wir ich noch zuversichtlich, obwohl das günstigste Angebot um 60% über unseren maximal erlaubten Kosten lag. (Als Sozialbau gibt’s da ja Einschränkungen, um noch als solches zu gelten und von der Gemeinde gefördert zu werden. …. Seit März steht es irgendwie. Es heißt, es wird mit einem Generalunternehmer verhandelt. Aber nachdem wir nichts erfahren, denke ich, es geht nix weiter. Und das zerstört die gerade im werden befindliche Gemeinschaft massiv. ….. Wir und ein paar andere Frauen wollten alles zusammen halten, aber wir reiben uns daran auf. Weil es Leute aus anderen Kulturen gibt, die nicht mehr daran glauben, dass es überhaupt gebaut wird. ….. Die Sorge haben wir nicht. Aber erklär das jmd aus Serbien, Irak oder der Ukraine! ….. Die haben da andere Erfahrungen. ….. Uff!

      Wir machen jetzt Urlaub und denken so wenig wie möglich daran. Und siehe da, das zittern ist verschwunden!!!! 😊✌️
      Herzliche Grüße
      „Benita“

      Gefällt 1 Person

    1. Hallo Michel,
      Ich hatte noch keine Kraft zu antworten. Ich bitte um dein Verständnis.
      Zu deiner Frage: Eine Baugruppe oder in Folge ein Wohnprojekt sind eine Gruppe von Menschen, die beschließen mit ihren Nachbar*innen näher zusammen zu wohnen, als es vor allem in größeren Städten allgemein üblich ist.
      Es gibt Gemeinschaftsräume, die gemeinsam geplant und auch verwaltet werden. Z.B. auch ein Gemeinschaftsgarten, in unserem Fall auch ein Café. Auch ist das Anliegen mehr aufeinander zu schauen. In Wien z.B ist es durchaus üblich, dass die eigenen Nachbarn in einer Mietwohnung kaum oder gar nicht bekannt sind. Auch im Krankheitsfall kann man oft nicht mit den Nachbarn rechnen. ….. In einer Baugruppe lernt man die Nachbarn bereits lange vor dem Einzug kennen und wächst im besten Fall zu einer Gemeinschaft zusammen. Das geht aber nicht friktionsfrei und ist auch Arbeit. Es lehrt aber auch viel über das Leben, die Menschen im Allgemeinen und sich selbst. Ich hoffe, ich konnte deine Fragen klären.
      Liebe Grüße
      „Benita“

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  1. Langes Warten kann zermürben. Wenn die Dinge nicht so wie gedacht vorangehen, werden die betroffenen Menschen unruhig, widerspenstige Personen mit gesteigerten Ängsten und Depressionen. Ob da brasilianische Wunderheiler auf Dauer helfen können oder Goldene Milch mit Kurkuma, das wage ich zu bezweifeln liebe Benita.
    Wir haben hier in Stuggi ja auch ein seltsames Bauprojekt am Laufen, das Menschen teilweise bis zum Wahnsinn schier bringt…
    Herzliche Grüße zur Nacht vom Lu

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    1. Ach, lieber Lu,
      Wir wissen ja, dass du mit unseren Möglichkeiten Stress zu reduzieren und auf Psychopharmaka zu verzichten nichts anfangen kannst. Dennoch ist es das, was mir/uns gut tut und weiter hilft. Im Vergleich zu Psychopharmaka, die uns extrem geschadet haben. Die Kräuter aus Brasilien haben uns so viel Lebensqualität und Heilung gegeben, das kann niemand außer uns ermessen und ja, wir waren auch extrem skeptisch. Göttliche Energien, oder wie immer du dazu sagen magst können heilen, auch wenn’s in unseren Breiten mitunter verrückt klingt. Das ist mir/uns egal. ….. Verzögerte Bauprojekte machen Stress, damit versuchen wir umzugehen. Am Baubeginn ändert das eher nichts. ….. Von Zuständen wie bei Stuttgart 21 (auf das du offenbar anspielst) sind wir glücklickerweise meilenweit entfernt. Allerdings sind ja auch die Dimensionen der Bauten nicht zu vergleichen. 😉 Alles Gute für den Aufreger in Stuttgart, dass es sich positiv entwickelt. (Was immer das jetzt heißen mag!)
      Herzliche Grüße
      „Benita“

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  2. Liebe Benita, ich glaube es ist gut, dass Du das alles mal schriftlich fixiert hast, Deine Unsicherheiten und Ängste klar formuliert. Das ist m.e. sehr wertvoll. Es wird klarer. Beim lesen dieses Beitrags ist mir aufgefallen, dass ich mir schon viel Übung angeeignet habe, mich unter vielen Menschen gut zu bewegen, sogar mit Freude inzwischen (auch wenn die gar nicht wissen dass ich Viele bin und sie nur einen Bruchteil von mir kennen. Das ist für mich inzwischen nicht mehr wichtig). Es ist viel mehr Leichtigkeit im Umgang mit anderen ganz schleichend entstanden – das liegt wohl an meinen herunter geschraubten Erwartungen an die Anderen – das hat geholfen.
    Ich wünsche Dir ganz viel von einer gewissen Leichtigkeit und Zuversicht!

    Gefällt 2 Personen

    1. Danke dir liebe Pollys für deine lieben Wünsche und Zeilen. Was im Kontakt mit anderen weh tut, ist die gefühlte Distanz zwischen uns und einem Gegenüber, als wäre eine Wand zwischen uns. Das war halt schon besser.
      Leichtigkeit und Zuversicht können wir sehr gut gebrauchen. 😊
      Herzliche Grüße
      „Benita“

      Gefällt 2 Personen

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