Alle Jahre wieder ….

Friedlich? Das wäre schön!

Gestern war die Panik so stark wie lange nicht.

Das schreiben wir selten, weil Trigger nicht vorhersehbar sind, aber bitte passt auf euch auf beim Lesen.

Der 24.12. ist jedes Jahr ein tiefer Schmerz. So tief, dass wir schon Wochen davor abspalten um ihn nicht zu fühlen, um den gesamten Advent nicht zu fühlen.  Meist bis nach dem 6.1. Das Ende der Weihnachtsferien (in normalen Jahren). „Die schönste Zeit des Jahres!“, hören wir in Radio, TV, Werbeberieselung beim Einkaufen der notwendigen Lebensmittel. Unerträglich und es ist schwierig nicht durchgehend zu weinen.

Darum gibt’s die Innenwesen, die von Mitte November bis 6.1. unser Leben übernehmen. Mitlächeln oder zumindest die Fassade aufrecht erhalten und es schaffen nicht zusammen zu brechen. Da bekommen wir, die das restliche Jahr leben, nichts mit. Das macht die Zeit überlebbar, das war uns aber bisher nicht bewusst.

Heuer haben wir die Zeit wahrgenommen. Wir sind hier geblieben. Ich kann nicht sagen, wo die für Weihnachten Zuständigen dieses Jahr waren oder sind. Sie waren auch in den letzten Jahren bereits schwächer geworden. Dennoch ist es heuer nochmals anders. So Vieles ändert sich gerade, dass wir es ganz schwer in Worte fassen können und daher im letzten Monat auch hier am Blog stumm geworden sind.

Dafür haben wir viel geweint. Auch heute bzw. gestern. Mit extremer Panik und Kopfweh sind wir am 24.12. erwacht. Und beides ließ sich nicht abschütteln, nicht verdrängen. Wir konnten uns nicht ablenken.

Schließlich haben wir es gewagt, uns unter das Kristallbett zu legen. Im Grunde ist es eine Form der Meditation, eine Art hinzusehen, wo es wehtut. Das braucht Mut mitunter. Gestern war es eine Überwindung, obwohl wir wissen, dass es uns besser geht, wenn wir die in uns schlummernde Wahrheit zulassen wahrzunehmen.

Kaum hatten wir uns hingelegt, kamen Tränen und die Herzschmerzen, die uns seit zwei bis drei Wochen nun immer wieder begleiten wurden von ihnen abgelöst.

Und dann kam die Erinnerung, die uns nur vage bekannt war, sehr vage. Mehr im Kopf war diese Erinnerung bewusst, aber nicht fühlbar, weil es zu entsetzlich ist, es zu ertragen. ….

Die Vergewaltigung wurde fühlbar, die Vergewaltigung-en damals. Es war im Advent, aber auch am 24.? Nein, klar kam es auch gestern nicht zutage. Nur wer wohl beteiligt war?!! Es war nicht der Vater alleine. Wir waren eher ein “Weihnachts-Präsent“ für andere. Wobei der Vater wohl Geld dafür bekommen hat. Und wir waren sehr jung, noch kein Schulkind. Eher gerade im Kindergarten-Alter. Aber in den Kindergarten durften wir ja nicht gehen. Das ist logisch, die Gewalt wäre aufgefallen. Wir waren zu jung zum funktionieren, waren noch nicht genug „abgerichtet“.

Es geht nur mit wenig Gefühlsbeteiligung dies niederzuschreiben. Es ist zu unfassbar. Jetzt kommen doch Tränen.

Die Wunde ist tief, sehr tief. Wie können Erwachsene so etwas tun? Wie? Ich weiß, dass wir uns das nicht einbilden, aber es ist so absurd grausam, dass es schwierig ist, dies als Tatsache zu akzeptieren. Es WAR (in diesem Fall passt die Bedeutung von Krieg im Englischen gut in den Satz.).  Ein Krieg gegen uns ist es gewesen, ein Überfall eines übermächtigen Gegners.

Weihnachten, die friedlichste Zeit des Jahres? Das wäre schön. Uns kommt das Speiben, wenn wir daran denken, wie diese Erlebnisse neben Weihnachtsliedern, Lamettabaum und Bescherung seinen Platz hatte.

Dennoch sind wir dankbar für das Geschenk des Erinnerns, für das Durchbrechen der Mauer der Verdrängung. Es ist ein Teil unseres Lebens, den wir uns zurückerobern. Das Weihnachtsgeschenk der anderen Art. Da es nun einmal war, unsere Wahrheit ist, ist es vielleicht eines der kostbarsten Geschenke überhaupt, das wir uns schenken können.

11 Gedanken zu „Alle Jahre wieder ….“

  1. Liebe Benita Wiese,
    vielen herzlichen Dank für Euren Mut und für die Offenheit, hier über Eure Vergangenheit zu berichten und mich teilhaben zu lassen! Es ist für mich nach wie vor unbegreiflich, wie Menschen Kindern so etwas antun können!
    Eure Entschlossenheit, immer mehr auf den Grund zu kommen, bewundere ich sehr! Aber Ihr habt sicher recht, nur so kann Heilung stattfinden. Ich begleite Euch gerne gedanklich auf weiteren Wegen und bin ein stets Dazu-Lernender geworden.
    Ich wünsche Euch noch besinnlichere Feiertage und auch sonst alles gute!
    Herzlichen Gruß, Michael

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  2. Danke liebe „Benita“ für Deinen Mut hinzusehen und es mit uns zu teilen. Es ist unsäglich traurig, dass es passiert ist und wie ich meine, fortgesetzt immer und immer wieder an derart unschuldigen Kindern, wie Dir  passiert.Ich bin mit Zärtlichkeit bei Euch und grüße Euch herzlich Beatrix Dr. Beatrix Teichmann-Wirth Personzentrierte Psychotherapie Paletzgasse 22-24/30 A-1160 Wien Tel. 0043676 612 24 07

    Gefällt 1 Person

    1. Zunächst auch unser Dank für’s Lesen und Kommentieren, liebe Beatrix. Ohne jene lieben Menschen, die uns hier am Blog oder auch im wirklichen Leben (da sind es wenige, aber die sind umso wichtiger) begleiten, könnten wir nicht hinsehen und berichten.
      Was wir hier tun, ist unser Leben retten und du und alle anderen haltet uns die Hand dabei und stärkt uns den Rücken. Vielen herzlichen Dank dafür und für die Zärtlichkeit, die bei uns angekommen ist. Wenn bei alledem noch mehr Bewusstsein für jene schreckliche Gewalt, die Kindern auch heute noch angetan wird, geschaffen wird, haben wir alles erreicht und noch sehr viel mehr. 💖🕊️
      Von Herzen, alles Liebe
      „Benita“

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  3. Deswegen habe ich dir keine Weihnachtswünsche geschickt, weil ich mich daran erinnert habe, dass ich selbst es in einer sehr schlechten Zeit als blanken Hohn empfunden habe, wenn mir nur jemand ein schönes Wochenende gewünscht hat, weil ich ja wusste, wie es wirklich aussehen würde.

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    1. Danke, liebe Myriade für deine Rücksicht. Tatsächlich gab es Zeiten, wo wir Weihnachtswünsche gar nicht vertragen haben. Dieses Jahr war es anders. Sogar die Beleuchtung hat uns tlw. gefallen. Obwohl wir nichts geschmückt haben, was wir doch manchmal schon getan haben.
      Mittlerweile freuen wir uns über Weihnachtswünsche von uns lieben Menschen. (Nicht über jährliche Einladungen unserer Mutter, die nur belasten! Schon weil wir sie immer zurückweisen müssen um einer Retraumatisierung zu entgehen.) Wünsche von uns lieben Personen sind ein Gegengewicht. Weihnachten ist nicht mehr nur entsetzlich. Die Wünsche zeigen uns, dass wir an diesem Tag nicht alleine sind, trotz aller Erinnerungen. Das kannst du freilich nicht wissen, wie wir aktuell dazu stehen, wie solltest du auch. ….. Und bei aller Dramatik dieser Erinnerung, es ist ein Geschenk, es zu erinnern und damit dem Unbewussten zu entziehen und uns selbst damit ein Stück ganzer zu fühlen. Das ist gut!!! 😊
      Und danke dir für den Einblick in deine Erfahrungen. 💖
      Es tat uns so gut unser Erleben zu erzählen. Danke für’s Lesen und Kommentieren. Das bedeutet uns sehr viel.
      Ganz herzliche Grüße 🕊️🤗😊
      „Benita“

      Gefällt 3 Personen

  4. Ich kann und will zu diesem Eintrag kein „like“ setzen!
    Zu unmenschlich ist dieses Thema und sind diese Taten ! Ich verstehe unsere Gesetzgebung und die Gerichtsbarkeit nicht, dass sie gegen diese Art von Verbrechen nicht genügend durchgreift. Ich verstehe nicht, warum diesem Handeln nicht genügend Beachtung entgegen gebracht wird. Gewalt gegen Kinder (die Schächsten unserer Gesellschaft) muss mit aller Härte entgegen getreten werden.
    Jeder, der sich an Kindern auf diese Art vergreift, gehört für mich hingerichtet, denn er hat nicht nur die Seele und das Leben dieses kleinen Menschen zerstört, sondern auch das Vertrauen zu den Mitmenschen. Ein Kind, welches unschuldig und voller Vertrauen auf die Eltern zu geht und dann dermaßen benutzt und ausgenutzt wird, kann doch kein Gefühl von Liebe entwickeln, wenn ihm so weh getan wird.
    Ich könnte mich dermaßen weiter mit diesem Thema beschäftigen, dass ich schon den Unmut meiner Frau auf mich ziehe, weil ich nicht von der Tastatur los komme.
    Trotzdem alledem wünsche ich ruhige Festtage!
    G. l. G. Jochen

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    1. Ach, lieber Jochen, wir verstehen deine Emotionen und danken für dein Mitgefühl und die lieben Grüße. Aber ganz ehrlich, du würdest uns keinen Gefallen tun, würdest Du die Täter hinrichten! Ich habe meinen Vater gehasst, aber es gibt die Verbindung, dass er unser Vater und damit ein Teil von uns ist, die uns niemand aus uns heraus reißen kann. Todesstrafe würde die Opfer ebenfalls traumatisieren. Worum soll es dabei gehen? Darum, dass derlei in der Gesellschaft möglich ist? Die Scham aller, dass es passiert in unserer Gesellschaft? Die Härte des Gesetzes, weil ganz viele Wegsehen, weil sie auch die Anzeichen nicht verstehen und erkennen (können, weil zu wenig darüber bekannt ist)? ….. Um zu einer Verurteilung zu kommen, muss es eine Anzeige und einen Prozess geben. Bitte überlege welche Überforderung dies für die traumatisierten Kinder bedeutet.Tatsache ist, dass eben Aussage gegen Aussage steht. Zeugen sind bei Gewalt gegen Kinder schwierig zu finden. Auch heutzutage und damals in den 1960ern, beginnenden 1970ern gab es keinerlei Lobby für Opfer von Gewalt. Damals war der Mann das Familienoberhaupt und durfte die anderen von Gesetz wegen erlaubt züchtigen!!!! Vergewaltigung in der Ehe war damals kein Delikt!!!
      Dieses Thema ist so extrem komplex, dass so einfache Antworten leider nicht möglich sind, auch wenn das überforderte Herz danach ruft.
      Und es ist auch unüberlegt was du schreibst. Du sprichst uns ab, dass wir lieben können???? Ist das dein Eindruck??? Das tut weh und wir weisen ihn aus das Schärfste zurück.

      Was es wirklich, wirklich braucht, sind endlich ausreichende niederschwellige gratis Therapiemöglichkeiten und Unterstützung für die Opfer. Es braucht das Interesse der Menschen, was Gewalt mit Menschen wirklich macht. Niemand ist NUR Opfer oder nur Täter. Es ist zu umfassend für einen Kommentar hier zu beschreiben, was wir dazu meinen. Erst wenn es den Opfern von Gewalt möglich ist zu genesen, erst dann können sie überhaupt gegen die Täter aussagen. Dann erst kann dieser Wahnsinn weniger werden. Schärfere Strafen bringen nichts, wenn schon heute der Strafrahmen nicht ausgeschöpft wird, weil es eben oft unmöglich ist Anklage zu erheben.
      Bitte, bitte es geht darum denen zu helfen, die Gewalt erleiden und nicht darum nach härteren Strafen zu rufen.

      Wir bedauern deinen Weihnachtsfrieden etwas irritiert zu haben und wünschen noch schöne, ruhige weitere
      Festtage.
      Herzliche Grüße
      „Benita“

      Gefällt 3 Personen

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