Leben mit DIS #37: Warum Smalltalk für uns in die Schlaflosigkeit führt?

Es war ein netter Abend nach einer Vernissage. Wir saßen mit einigen netten Menschen beisammen in einem Lokal und plauderten. Es ging für uns als nicht-Künstlerin mehr um Smalltalk, als um künstlerischen Austausch.

Wollten wir dazugehören, ohne es zu tun? Anderseits gehörten wir dazu. Man kannte uns und hörte uns zu. Aber weshalb konnten wir einfach Nichts von uns einbringen?

Weil die Wahrheit über unser Leben die Stimmung dämpft und jedes lockere, entspannte Gespräch sprengt. Also erzählen wir von uns nichts Wichtiges. Geben nichts Preis von uns. Das erzeugt generell dann eher Misstrauen, was verständlich ist. Es ist also egal, ob wir von uns erzählen oder nicht, es ist unmöglich unbefangen zu bleiben. Es ist unmöglich, die Stimmung nicht zu ruinieren, wenn wir von uns berichten. Und es ist unmöglich, selbst wenn sich die anderen darauf einlassen nicht das Thema plötzlich zu bestimmen mit den Themen sexualisierte Gewalt und Gewalt an Kindern.

Es gibt also die Wahl zwischen selbst auferlegtem Schweigen oder Themensetzung auf das Gewaltthema und ein Zuviel an Aufmerksamkeit oder ein Ausschluss aus dem Gespräch dadurch.

Diese Auswahl ist beklemmend und kränkend alleine durch die Unmöglichkeit ein zwangloses Gespräch zu führen. Wir haben es wieder einmal versucht und sind insofern wieder einmal gescheitert, als wir uns selbst schon dadurch betrogen haben, dass wir das „ich“ gebrauchten um nicht aufzufallen. Das geht nur kurz, dann beginnen die Kopfschmerzen und die Übelkeit, die wir abspalten.

Und nachdem wir gestern sogar ein bisschen über uns und den Blog gesprochen haben, allerdings alles „brav“ in Einzahl, folgte bis jetzt eine schlaflose Nacht, trotz Müdigkeit.

Es ist zum Verzweifeln sich nicht einbringen zu können in einer Gesellschaft ohne groß aufzufallen und sofort einen Sonderstatus zu erhalten, im besten Falle. Anderenfalls folgt der Ausschluss, wenn die anderen auf den erzwungenen Sonderstatus nicht eingehen mögen. Was wir sogar verstehen.

Ein Leben mit DIS ist ein Leben als Ausgeschlossene, bis wir uns erklärt haben. Letzteres geht in einer Gruppe von ferneren Bekannten nicht. Vielleicht haben wir in solchen Gruppen nichts verloren? Rückzug aus Selbstschutz, die alt bekannte und verhasste Strategie. Wir umkreisen seit Jahren dieses Problem, ohne eine Lösung zu finden.

9 Gedanken zu „Leben mit DIS #37: Warum Smalltalk für uns in die Schlaflosigkeit führt?“

  1. Liebe Benita Wiese,
    Ihr sprecht da einen gewiss sehr schmerzhaften Punkt an!
    Viele Menschen sind nicht in der Lage, mit anderem, als was sie als „normal“ empfinden, richtig umzugehen. Das gibt es ja schon in leichten Ansätzen, wenn man / frau nicht zur „richtigen“ Gruppierung gehört. So etwas ist mir auch schon passiert. Wobei die Auswirkungen ganz bestimmt für mich recht harmlos waren, im Gegensatz zu dem, wie es Euch damit geht! Aber ich habe dadurch eine ganz leise Ahnung, in welche Richtung es für Euch erlebt wird.
    Jeder Lösungsversuch ist anstrengend, das finde ich so fatal für Euch. Wir alle müssen lernen, noch viel offener mit den Möglichkeiten der Verschiedenheiten unter uns Menschen umzugehen lernen! Da finde ich Euren Blog sehr hilfreich! Ihr habt mich dadurch zum ersten Mal dazu gebracht, mich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Danke! Und ich lerne immer noch dazu und bin deshalb sehr froh, immer wieder bei Euch neue Gedanken und Einblicke in Euer Leben lesen zu können!
    Euch einen schönen Sonntag noch und herzlichen Gruß, Michael

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    1. Lieber Michael,
      Vielen lieben Dank für deine herzerwärmenden und tröstlichen Worte. …. Oh ja, wir stimmen zu, dass „wir alle viel offener mit der Möglichkeit der Verschiedenheiten unter uns umgehen lernen müssen.“ So wahr und wie schön, dass wir (mit unserem Blog, aber auch wir alle als Menschen) einen kleinen Anteil dazu leisten können. Es sind jene Menschen, die ihr Herz für diese Verschiedenheiten unter uns öffnen und wagen das scheinbar Fremdartige an sich heran zu lassen, die uns Hoffnung geben und das Leben schön machen.
      Auch dir einen schönen restlichen Sonntag.
      Ganz herzliche Grüße
      „Benita“

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  2. Ich glauben Kleinem geht’s wohl vielen so. Auf die Frage „wie geht’s?“ antwortet man auch lieber mit gut, als die Wahrheit sagen. Ich möchte mein Innenleben nicht in einem Small Talk ausbreiten. Ich stelle es mir aber auch sehr belastend vor, sich lebst immer so kontrollieren zu müssen, um sich weiter bedeckt zu halten und nicht zu öffnen. Ich hoffe ihr habt einen Kreis von Menschen, wo das möglich ist.

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    1. Danke für das Mitgefühl. Ja, genau das es ist eine übermenschliche Belastung, die Heilung verhindert oder zumindest massiv hemmt Diese Hoffnung einen Kreis Menschen zu haben, müssen wir enttäuschen. Aber wir versuchen ihn im Kleinen aufzubauen in der Baugruppe, wo wir „WIR“ sagen, ohne es genauer zu erklären. Mehr bräuchte es ja meist nicht, aber das ist eben im Alltag unmöglich ohne sich selbst zu erklären. Es sind Einzelne, wo wir ein bisschen mehr sein dürfen. Und nur eine Frau bei der es möglich ist, einfach zu sein, weil sie selbst DIS hat und versteht.
      Hätten wir diesen Kreis von Menschen, wir würden uns nicht als Ausgestoßene fühlen, denn wie du schreibst, im Kleinen geht’s vielen so. Die haben aber einen Zufluchtsort, wo es möglich ist. Aber vielleicht ist das eine Täuschung und das Ausmaß der vereinsamten Menschen ist viel größer als wir denken?

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        1. Vielen herzlichen Dank, es ist wahrscheinlich, dass es mehr Leute gibt, die das können. Sie zu finden ist die Herausforderung. Tatsache ist, dass je selbstverständlicher wir auftreten, desto leichter fällt den anderen die Akzeptanz. Das ist unter Leuten, die uns neu kennenlernen mitunter leichter durchzusetzen, als in einem bekannten Kreis. ……
          Die Anzahl derer, die unseren Blog lesen spricht dafür, dass der Kreis größer ist, als wir ihn abseits des virtuellen Lebens um uns haben. …..

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  3. Oh, wie gut wir das kennen! Lieber still sein
    und zuhören, als zu sich – zu allen in sich –
    zu stehen. Aber wie ihr schon sagt: Zu viel
    Aufmerksamkeit oder Angst und Entsetzen.
    Das ist wirklich schwierig, das finden wir
    auch u. deshalb lieber keine Kontakte, obwohl man eigentlich ja
    doch will,

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    1. Danke für eure Worte. 💖 Das Ding ist halt, dass wir feststecken im Heilungsweg, wenn Kontakte so schwierig bis unmöglich sind.
      Vielleicht ist beides, das zuviel an Aufmerksamkeit ebenso, wie die Zurückweisung aufgrund von Angst und Entsetzen der anderen einfach eine kontinuierliche Retraumatisierung? Diese zu durchbrechen, wie geht das? Mit viel Mut, Selbstvertrauen und Humor? ….. Welche Herausforderung!

      Gefällt 2 Personen

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