Verkehrte Welt

Bad und Vorzimmer müssen neu geplant werden. Die Fliesen sind nicht mehr erhältlich, weil das Werk geschlossen wurde, das sie erzeugt hat.

Weshalb es geschlossen wurde wissen wir nicht. Aber Fliesen Herstellung braucht viel Energie, oder? Hängt es indirekt mit dem Krieg in der Ukraine zusammen?

Gedanken drehen sich in unserem Kopf. Wir gehen heute also zum vierten mal ins Fliesen-Studio des Großhändlers werden gustieren und auswählen, rechnen, ob wir uns das leisten können und uns dann letztendlich darüber freuen etwas gefunden zu haben, das passt. Hoffentlich.

Sicher werden wir etwas finden und doch fühlt es sich gerade so falsch an alles, ein Luxusproblem. Die vom Bauträger vorgegebenen neuen Fliesen sind hässlich, na und?

Wir haben ein Dach über dem Kopf, Nahrung und medizinische Versorgung, wie wichtig sind farblich schöne Fliesen?

Und dennoch, es ist das erste Mal, dass wir das Geld haben unsere Wohnung nach unseren Vorstellungen ein bisschen anzupassen und die Standard Fliesen erinnern uns an Erbrochenes, das ist leider so. Wer will schon täglich diese Assoziation in den eigenen vier Wänden?

Mit den Möglichkeiten kommen die Wünsche. In welch schrecklichen Wohnungen haben wir bisher gelebt. Und dennoch im Vergleich mit anderen Weltregionen war es immer Luxus, auch wenn wir kein Bad in der Wohnung hatten für über drei Jahre und keine Heizung, nur einen kleinen Elektro-Radiator.

Wir dürfen uns das jetzt leisten, sagen wir uns.

Und in der Ukraine werden Städte zu Schutt gebombt. In Mariupol haben Leute ihre neue Wohnung geplant, so wie wir heute und jetzt sind diese Häuser zerstört. Mit Glück leben die Menschen noch und wir wissen nicht, ob sie das momentan als Glück ansehen können.

Es fühlt sich gerade alles ganz verkehrt an und krotesk. Hier weiter zu tun, als wäre nichts und nicht viel mehr tun können als wenig zu spenden. Mehr Kraft haben wir nicht. Aber sollten wir mehr spenden und unsere Wünsche zurück stellen? Unser Kopf schwirrt, alles ist so tragisch und wir wollten uns doch freuen auf die neue Wohnung.

Bitte, möge dieser Krieg schnellstmöglich ein Ende finden. 🕊️🍀🕊️🍀🕊️🍀🕊️🏵️🌼🌸🌱

6 Gedanken zu „Verkehrte Welt“

  1. Liebe Benita,
    sicherlich, es sind Luxusprobleme, die Ihr bzw. wir alle haben – im Vergleich zu den Problemen, welche die Menschen in der Ukraine haben. Aber es sind unsere Probleme, und sie wollen auch gelöst werden. Auch unser Alltag muß jeden Tag neu bewältigt werden – auf unserem Niveau. Das gleiche gilt für die Menschen, welche den Krieg hinter sich haben bzw. hoffentlich bald hinter sich haben werden. Auch diese Menschen werden sich die gleichen Fragen stellen wie Ihr, wenn sie sich ihr neues Leben bzw. ihre neuen Wohnungen, in denen sie dann leben wollen, neu einrichten. Jede Spende hilft, gleich ob 10 €, 100 € oder vielleicht 1.000 €. Im Vergleich zu den Summen, die benötigt werden, ist das, was jeder einzeln spenden kann, immer nur wenig. Aber: In Summe können wir als Gemeinschaft viel bewegen, und das passiert – auch wenn wir als Einzelpersonen vielleicht nur einen sehr kleinen Beitrag leisten. Es passiert gerade deshalb.
    Daher denke ich, dass es besser ist, sich vielleicht nur mit einem kleinen Betrag an der Hilfe zu beteiligen und sich weiter mit einer gewissen Konsequenz um die eigenen Probleme zu kümmern. Wirklich helfen kann man nur aus einer Position der Stabilität und Stärke heraus. Es ist also besser, sich sein eigenes Leben nach seinen eigenen Vorstellungen „gut“ einzurichten. Und wenn das eigene Leben und der eigene Alltag stabil ist, kann man (und sollte man vielleicht auch) weiter darüber nachdenken, wie man jenen Menschen helfen kann, denen es deutlich schlechter geht. So, wie wir die tätige Hilfe vor Ort jenen überlassen sollten, die genau wissen, was zu tun ist. Eine unkoordinierte Hilfe aus dem Gefühl heraus, man müsse doch irgendetwas tun, bringt meist mehr neue Probleme als sie alte Probleme löst.
    Daher glaube und sage ich: Löst Eure Probleme so, wie es für Euch richtig ist. Und wenn dann noch Kraft und Möglichkeit übrig ist, helft bzw. spendet so, wie es für Euch sinnvoll geht. Dann tut Ihr bereits mehr als viele andere, die garnicht wirklich über die Probleme der Menschen in und aus der Ukraine nachdenken, und deren Hilfe damit möglicherweise in Sande verläuft.
    👍💚🍀

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    1. Danke, lieber Ankordanz für deine Zeilen. 😊
      Ja, du hast in allem Recht.
      Wir brauchen das Schreiben jedoch oft um uns etwas klar zu machen, auch um Gefühle zuzulassen. Das war hier sehr klar. Die Emotionen steckten fest und haben uns blockiert. Und es ist halt auch für uns etwas so Besonderes, etwas ganz Großes, dass wir uns überhaupt Gedanken um so etwas wie Fliesen machen können, weil wir sie zahlen können. Diese Jahrzehnte in Wohnungen, die Substandard waren oder in anderen Formen extrem belastend, wo wir nicht investieren wollten, lassen uns in unserer Identifikation fast näher bei den Geflüchteten sein, auch wenn das freilich überheblich ist, denn wir wissen nichts von deren Not. Wir wissen aber auch nichts von dem Reichtum von durchschnittlich Verdienenden in diesem Land, von Selbstverständlichkeiten was wohnen betrifft. Auch aus diesem Bedürfnis einen Platz für uns zu finden ist der Text entstanden.
      Übrigens haben wir uns heute im Fliesen-Schauraum schöne Bodenfliesen gewählt und sind glücklich. Davor haben wir uns eingeschränkt und wollten sparen und haben nicht gewagt ganz andere Fliesen zu nehmen. Jetzt doch, weil die neue Serie, die vom Bauträger angeboten wird so gar nicht geht. …. Wir haben etwas gewagt, uns das zu gönnen. 🍀🕊️🍀💜🙏😊

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      1. Liebe Benita,
        ich finde es gut, daß Ihr Euch das gönnt. Ich denke, es ist gut für Euch, wenn Ihr Euch auch mal mit solchen „Luxusproblemen“ beschäftigt – und sie in Eurem Sinne und nach Euren Bedürfnissen löst. Sicherlich, es ist ein gewisser Reichtum, aber auch Ihr seid es wert, einen solchen „Luxus“ zu leben. Wenn ich könnte, würde ich Euch darin unterstützen. Ihr seid ein Teil unserer Gesellschaft, und das allein ist Grund genug.
        Die Menschen, die im Krieg alles verloren haben, sind ebenfalls Teil unserer europäischen Gemeinschaft, genauso wie die Menschen, die unter den Sanktionen leiden, welche ihnen durch ihre politischen Führer jetzt indirekt aufgezwungen werden. (Deswegen wird ja versucht, nach Möglichkeit nur die Führungselite zu treffen.) Aber sie alle werden versuchen, ihren gewohnten Lebensstandard wieder herzustellen.
        Wir müssen alle Rückschläge einstecken – oft ohne unser eigenes Verschulden. Deswegen hoffe ich, Ihr findet immer wieder Lösungen, die Euch ein Leben ermöglichen, in dem Ihr immer wieder neu Euer Glück finden könnt. Das wünsche ich Euch.
        👍🍀💚

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  2. Liebe Benita Wiese,
    die Welt ist gerade mehr als verkehrt! Die augenblickliche Lage zeigt uns, dass nichts in unserer Welt als garantiert sicher gelten kann. Und so erleben wir, dass es gar nicht so selbstverständlich ist, dass wir bestellte Fliesen auch wirklich erhalten …

    Vor zwei Wochen bestellte ich gerade auch Fliesen, sorgsam ausgewählt, alle die am besten gefielen und passend schienen. Und jetzt warte ich auch schon, ob sie wohl bald kommen würden, oder ob es doch vielleicht Hindernisse irgendwelcher Art gibt. Offensichtlich habt Ihr und habe ich gerade die gleichen Alltags-„Sorgen“, und offensichtlich sind wir gerade hier wie dort am planen, wie wir bald wohnen wollen …

    Die Alltags-„Sorgen“ setze ich bewusst in Anführungszeichen. Denn in unserer europäischen Nachbarschaft gibt es wesentlich existenziellere Sorgen. Ob Fliesen-Pläne zu Bruch gehen, dürften dort noch die kleineren Probleme sein, wenn man ganz direkt um sein Leben und das Überleben der Familie fürchten muss. Ob wir hier dabei gleichzeitig unseren Alltagsplänen weiter nachgehen dürfen? Ich meine eindeutig: ja! Wir können aus der Ferne Geld spenden, wieviel uns die Hilfe wert ist, aber wir können für uns nicht unsere Zukunft in wichtigen Komponenten ganz aufgeben, denn dann geben wir uns auch selbst auf. Ich kann nur weiterhin gut helfen, wenn ich selbst für mich stabil und gesichert bin. Wenn Ihr in einer Fliesen-Umgebung leben müsstet, die Euch tagtäglich absolut nicht gefällt, dann fühlt Ihr Euch absolut nicht wohl. Auch mich würde das stark beeinträchtigen. Deshalb gilt für alle Hilfe die wir in Nächstenliebe leisten wollen, dass wir zuvor auch uns selbst genügend lieben müssen, um uns zum Beispiel die „richtige“ Lebensumgebung zu schaffen. Dann sind wir innerlich stark genug, um anderen helfen zu können. Und dafür gibt es dann bestimmt noch genügend viele Ansatzpunkte …

    In diesem Sinne wünsche ich Euch einen fröhlichen zweiten Anlauf im Fliesen-Suchen! Und auch sonst wünsche ich Euch, dass Euer Wohnprojekt zu einem guten Ende kommt!

    Alles Gute und herzlichen Gruß, Michael

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