Unser Leben in einer aktiven Nachbar:innenschaft hatten wir uns einfacher vorgestellt. Wir hatten es uns glücklicher vorgestellt.
Jedoch selbst bei ganz lieben Leuten, die uns wohl gesonnen sind, verzweifeln wir. Wir sind wohl massiv überfordert damit eingebunden zu sein unter der Prämisse „normal“ zu erscheinen. Die Kontakte sind zu anstrengend für uns, weil WIR im Grunde nicht existieren. Die Innenwesen dürfen nicht existieren im Kontakt.
Ist das unser Anspruch? Wer weiß? Es ist unausgesprochen die Erwartung der Unos, denen wir begegnen. Was sollten sie auch erwarten? Sie kennen nur dieses Leben, in dem Aufsplitterung wie wir sie kennen und darunter leiden nicht vorkommt. Erwartungen, die wir nicht erfüllen können, es aber immer wieder versuchen und scheitern.
Das tägliche vor Augen führen eines Scheiterns ist wohl zu schmerzhaft um ein Eingebunden sein selbst bei lieben Nachbarn (was hier bei weitem nicht alle sind), für uns außerordentlich schmerzhaft zu gestalten.
Selbst Isolation schützt vor Außenreizen. Selbst Isolation schützt damit vor der kontinuierlichen Konfrontation mit unserem Anderssein, das schon aufgrund des uns verständlichen Unverstehens der anderen uns in Frage stellt, immer und immer wieder.
Liebe Leute reagieren verunsichert im Umgang mit uns. Das wollen wir nicht. Oder sie ignorieren unsere „Eigenheiten“, was gut ist, was wir aber auch nicht auf Dauer ertragen können. Gespiegelt bekommen wir ein „du bist mir fremd“, was der Realität entspricht, unseren Wunsch und unser Bedürfnis danach irgendwo dazu zu gehören jedoch nie erfüllen kann.
Selbst Isolation schützt uns vor dieser unausgesprochenen Zurückweisung, die liebe Leute nicht aussprechen wollen, ja nicht einmal vermitteln wollen, es aber dennoch tun, weil sie nicht anders können.
Selbst Isolation hilft uns zur Ruhe zu kommen in einer für uns überreizten Verfassung. Nein, mit Selbst Isolation schützen wir die anderen immer wieder zur Ruhe zu kommen und unsere Gegenwart vielleicht weiter zu ertragen.
Warum haben wir all diese Gewalt überlebt, um dann als wandelnde Belastung für die anderen und uns selbst durchs Leben zu gehen? Es ist ein Fluch, dem wir uns stellen wollen, aber auch Ruhe finden müssen, um uns zu erholen.
Ein gewisses Ausmaß an Rückzug, das vielleicht an Selbst Isolation grenzt ist notwendig. Unser Rückzugs Bedarf ist größer als bei anderen, vielleicht? Das selbst muss noch nichts mit DIS zu tun haben. Es kann auch dem Wesen, dem eigenen Charakter geschuldet sein. Allerdings muss uns in einem intellektuellen Gespräch erlaubt sein zu Switchen, weil wir nicht alle Informationen in einem Bewusstsein gebündelt abrufen können. Ein Switchen, das bei uns zumeist willkürlich erfolgten muss mittlerweile, es passiert uns nur noch höchst selten. Und das ist prinzipiell gut und ein Zeichen von Heilung. Kennenlernen und die Scheu verlieren geschieht über Annäherung und Rückzug auf beiden Seiten, bei Unos und DIS Leuten. Langsam aber mit Ausdauer. Mögen wir weiterhin so unbändig viel Kraft besitzen, wie in unseren bisherigen Jahrzehnten, die wir überlebt haben und leben lernen.
Mögen wir in allem Schmerz, den diese gespiegelte Konfrontation mit uns als Reaktion auf Gespräche mit sich bringt den Mut und die Ausdauer behalten, die es dafür braucht, wenn so fremde Lebensweisen wie Unos und DIS Leute einander begegnen und sich auf die jeweils andere einlassen mögen.
Mögen wir von wo auch immer alle nötige Hilfe für dieses Vorhaben bekommen.
Liebe Benita Wiese,
ich freue mich immer wieder darüber, wie engagiert Ihr Eure „Lernfelder“ und „Lernprozesse“ angeht! Ich finde das überzeugend kraftvoll und mutig! Dass es anstrengend (Energie einfordernd) sein kann, sich in Gesellschaft mit anderen zu befinden, das geht mir Uno-Mensch genauso. Deshalb bin ich zur Erholung und Regenerierung auch gerne wieder mit mir allein oder allenfalls mit einem Menschen zusammen, dessen Anwesenheit meiner Energie nicht abträglich ist. Das gibt es durchaus auch!
Gleichwohl kann ich erahnen, wie weit mehr Kraft es Euch kostet, in Gesellschaft zu sein, oder überhaupt auch „nur“ mit einem Menschen zusammen, wo Ihr dann nicht sicher wisst, wie er oder sie auf ein eventuelles Switchen reagieren könnte. Für mich wäre ein solches Switchen absolutes Neuland. Aber ich habe soche Situationen in einem Film kennengelernt. Und ich vermute mal, dass ich das lernen könnte. Dass ich mich auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten einstellen könnte, beziehungsweise, dass ich es auf jeden Fall wollte.
Ich denke auch, dass wir alle in Begegnungen voneinander viel lernen können. Das Leben ist unglaublich vielfältig. Ich sehe das als Bereicherung, immer wieder neues lernen zu können.
Ich wünsche Euch viel Erfolg und ermutigende neue Schritte in Eurer neuen Umgebung. Gönnt Euch immer wieder die notwendigen Pausen in Euren eigenen vier Wänden. Und mutet Euren Mitmenschen ruhig zu, dass sie unbekannte neue Erfahrungen machen!
Alles Gute und herzlichen Gruß, Michael
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Lieber Michael,
herzlichen Dank für deine lieben Zeilen.
Wir mögen dir unbedingt beipflichten, dass es eine Bereicherung ist, Neues zu lernen, vor allem bzw. auch im Kontakt mit anderen Menschen, oder auch mit Tieren. Vieles über sich selbst kann im Grunde nur so gelernt werden und auch heilen.
Es braucht natürlich Vertrauen, um sich so zu zeigen, wie man ist. Das trifft auf Uno-Menschen wohl ebenso zu wie auf DIS Menschen. Bei DIS Leuten braucht es wohl generell länger Vertrauen zu fassen, weil diese (früh)kindliche Bereitschaft dazu wiederholt und mit großer Gewalt gestört und oft sogar gewollt bewusst zerstört wurde von den Tätern und auch Täterinnen.
Vertrauen zu wagen, ist die größte Herausforderung, die DIS Leute zu bewältigen haben. Und oft gelingt nicht, was man sich so ersehnt, trotz aller Mühe und Ausdauer. Hier immer wieder an die eigenen Grenzen zu stoßen ist über alle Maßen schmerzhaft. Um diese Schmerzen verarbeiten zu können und das DIS-System zu ermutigen und zu motivieren immer wieder auf Leute zuzugehen braucht es oft viel Rückzug. Zunächst muss zur Ruhe gekommen werden und dann eben der Wunsch zu leben wieder aufgebaut werden, denn der kann nach Jahrzehnten der Anstrengung immer wieder verloren gehen.
Erst dann kann ein neuer Anlauf getätigt werden hinaus zu gehen und erneut Kontakt zu suchen.
Herzlichen Dank für die lieben Wünsche.
Alles Liebe
„Benita“
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Ich möchte gerne einen Blickwinkel der „UNO-Seite“ beisteuern. Du weißt ja, dass man dein Anderssein nicht bemerkt. Ich erinnere mich, dass du einmal gesagt hast, dass das dein größtes Problem wäre.
Nun stell dir vor, wie das ist, wenn du einem Menschen gegenübersteht, der/die sich von anderen nicht bemerkbar unterscheidet. Du weißt theoretisch, dass es da einen Unterschied gibt, hast aber keine Ahnung, wie du diesem Unterschied, den du auch gar nicht bemerkst, gerecht werden sollst. Eine direkte, empathische Reaktion scheint mir nicht möglich, weil die DIS-Seite von ihrem Anderssein nichts preisgibt/preisgeben kann. Wie soll es da möglich sein, auf Unterschiede zu reagieren und sich entsprechend zu verhalten, auch wenn jemand wüsste, wie solch ein Verhalten aussehen könnte? Die UNO-Seite ist da auf Hinweise der DIS-Seite angewiesen…
So wie ihr die Lage beschreibt, haben andere ähnliche Schwierigkeiten wie ich
Ich habe es als überraschend – schockierend – frustrierend empfunden, in dieser Reihenfolge.
Meiner Ansicht nach würden sich Kontakte besser entwickeln können, wenn beide Seiten sich so geben würden, wie sie sind. Ich weiß nicht, wie es wäre, wenn ihr euch in Gesellschaft anderer so geben würdet/könntet, wie ihr seid. Möglicherweise wäre das für die UNO-Seite zunächst einmal auch überraschend oder auch schockierend, aber es wäre ein Grundstein für eine Beziehung, die nicht für beide Seiten frustrierend ist. Mit jemandem, der/die offen ein aus der Norm fallendes Verhalten zeigt, kann man sich auseinandersetzen. Wenn man dieses Verhalten nie erlebt, kann man nur rätseln und dabei sicher sehr oft falsch liegen. Dadurch wird für UNO- und DIS-Leute das Verhalten der jeweils anderen unweigerlich frustrierend.
Ganz liebe Grüße
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Ich könnte es mir als gegenseitigen Lernprozess vorstellen, der seine Zeit braucht. Es wäre nicht fair, wenn ihr nicht alle akzeptiert werden würdet.
Vielleicht lösen sich die Probleme, sobald man sich besser kennt bzw. die Missverständnisse ansprechen kann. Irritiert zu sein, bedeutet ja nicht automatisch Ablehnung, eher eine gewisse Hilflosigkeit.
Ich wünsche euch, dass sich alles langsam einspielt. Liebe Grüße, B.
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Danke für die lieben Wünsche. Ja, genau diesen Lernprozess haben wir im reflektierten Schreiben erkannt. Ob es je möglich sein wird, dass wir alle akzeptiert werden, wird sich nicht sagen lassen, denn es wird sicher niemals geschehen, dass alle in Kontakten anwesend sind. So wie es bei allen Menschen Facetten des Selbst gibt, die niemandem gezeigt werden, aus Selbstschutz bzw. eben nach und nach mit dem besser kennenlernen immer mehrere Seiten des Gegenüber bekannt werden. …. Das Kennenlernen braucht wohl bei größeren Unterschieden länger, bei allem guten Willen. Es braucht halt enorm viel Geduld und Ausdauer und Kraft. So ist unser Leben.
Vielen herzlichen Dank nochmals.
Liebe Grüße „Benita“
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