Leben mit DIS #45: Zu Hause

©Pexels/ Nandhu Kumar

Seit einem Monat wohnen wir in der neuen Wohnung. Wohnen wir schon? Noch ist vollkommenes Chaos. Noch stehen überall Kartons herum und Möbel sind nicht aufgebaut.

Und doch fühlen wir uns wohl hier. Es ist aber alles neu, als wären wir in einer neuen Stadt, dabei ist es nur von einem Stadtrand zur ganz anderen Seite, fast  1 ½ Stunden brauchten wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen diesen beiden Wohnungen. Das ist jetzt nicht mehr notwendig. Wir leben in einem Stadtteil, in dem wir noch nie gelebt haben. Hier triggert die Umgebung kaum, das ist neu. Fast irritiert es uns. Nicht nur fast, es irritiert uns, so als würde eine Selbstverständlichkeit in unserem Leben plötzlich weg sein. Nein, das fehlt nicht, dennoch fehlt die Sicherheit, dass es so bleibt. Wer weiß? Freude ist darüber vorhanden, aber verhaltene Freude..

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37°: Ich bin Viele. Leben als multiple Persönlichkeit. Sabrina

Wir wurden vor einiger Zeit von einem lieben Leser auf diese Dokumentation hingewiesen und haben sie vor einigen Tagen gesehen. Haben auch von mehreren von DIS-Betroffenen Kommentare dazu gelesen und uns auch angeschlossen.

Z.B. hier:

https://einblogvonvielen.org/stellungnahme-und-kritik-an-der-zdf-sendung-ich-bin-viele/

Diese Reaktion hier von Sofie wollten wir nun rebloggen und unsere Zerrissenheit mit dem Thema darstellen. Wir sehen viele Probleme an der Doku, aber können Sofie auch in gewisser Weise folgen.

Hier unsere Antwort zur Debatte. Wir haben auch auf Sofie’s Blog noch einen weiteren Kommentar hinterlassen, falls ihr dort noch weiter lesen mögt.

Hoffentlich hilft diese Debatte auch mehr Einblick in die Komplexität der Thematik zu erhalten.

Wir danken allen für ihr Engagement und den Austausch.


Liebe Sofie,
Wir mögen dir zunächst danken für den Text, der uns sehr nachdenklich macht. Ja, auf alle Fälle muss klar sein, dass DIS derart massive, körperliche, sexuelle und psychische Gewalterfahrungen ab frühester Kindheit als Ursache hat, dass eine Heilung, die keinerlei professioneller Betreuung oder Unterstützung mehr bedarf vielleicht lebenslang nicht gelingt und dass es dennoch ein gelungenes Leben sein kann. Dass nicht auffallen, nicht der gelungenere Lebensentwurf ist, denn das ist er in den wenigsten Fällen.

Darum kämpfen wir seit vielen, vielen Jahren, dass unsere Behinderung anerkannt wird und soziale Betreuung und psychologische Betreuung tatsächlich so lange sein darf, wie lange wir meinen sie zu brauchen.

Anderseits verstehen wir auch die andere Seite, stolz darauf zu sein, sich eine Funktionalität bewahrt oder sogar erkämpft zu haben, stolz darauf zu sein, nicht diese Abhängigkeit zu haben. Und dass es auch extrem verletzend ist, dass in dieser Gesellschaft eben entweder NUR die Funktionalität oder NUR die Hilfsbedürftigkeit dargestellt wird. DAS ist es, was uns am meisten verletzt, dass uns jene harte Arbeit an unserer Heilung dann abgesprochen wird, wenn wir nach 25 Jahren wesentlich mehr am Leben teilhaben können und auch stolz darauf sind, das zu können, wir aber dann nicht mehr bedürftig sein dürfen.

Das hätten wir uns gewünscht, dass diese beiden Seiten von DIS gezeigt werden, enorme Funktionalität neben großer Hilfsbedürftigkeit. Und genau das haben wir auch an den Sabrinas gesehen. Im Film war aber der Fokus massiv auf der Hilfsbedürftigkeit. Das hat uns beängstigt, weil es unsere Mitbestimmung in der Gesellschaft in Frage stellt. Diese Balance zu halten zwischen diesen beiden Zuständen, Funktionalität und großes Leid und meist fehlende, oder zu geringe Hilfe hätten wir uns gewünscht zu sehen, weil es genau jene Situation ist, die unser Leben immer massivst belastet hat und noch belastet.

Vielmehr genau dass dieser Versuch die Balance zu halten und die Selbständigkeit wie auch das Leid nicht gezeigt wurden, macht unser Leben enorm schwierig und vergrößert das Tabu und auch die Phantasien, die Uno’s vielleicht von DIS ohnedies bereits haben.

Sofies viele Welten

Screenshot aus der ZDF-Reportage von Julia Luhnau: 37°: Ich bin Viele. Leben als multiple Persönlichkeit.

Das ZDF-Format 37° zeigte am 09.08.2022 in der Reportage von Julia Luhnau persönliche Einblicke in das Leben der 42-jährigen Sabrina aus Freiburg. Sie ist Viele und lebt mit 12 weiteren Persönlichkeiten ihren Alltag. Die Ursachen sind, wie sie selbst im Film sagt, seelische, physische und sexuelle Gewalt in der Kindheit. Wir halten die Aufzeichnungen persönlich für sehr gelungen, weil sie einerseits eine gewisse Vulnerabiilität und Wechsel sichtbar werden lassen, andererseits aber nicht reißerisch und voyeuristisch damit umgehen. Da das Format ausdrücklich deutlich macht Einzelschicksale zu portraitieren, finde ich auch, dass die Sabrinas die einzigen sind, die die Reportage gut finden müssen und weitere Bewertungen fehl am Platz sind.

Was mich jedoch bewegt, sind die Reaktionen anderer DIS-Betroffener auf die Ausstrahlung. Davon handelt dieser Beitrag.

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Leben mit DIS #38: Perfektionismus

Immer wieder hören wir von anderen Menschen, dass wir so perfektionistisch wären. Wir hören es als kritische Feststellung. Und es stimmt ja, bloß macht sich niemand die Mühe nachzuforschen weshalb es so ist. Zugegeben wir bislang auch nicht.

Nun die Erkenntnis: Wer sich in seinem Leben, vor allem in der frühen Kindheit keine Fehler erlauben darf, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit den eigenen Tod bedeuten würden, tut sich schwer locker an Aufgaben heranzugehen, denn die Todesangst steckt in den Knochen.

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Leben mit DIS #30a: Berufsunfähigkeitspension

Es ist so wichtig, dass es dieses Angebot unseres Sozialstaates, die Berufsunfähigkeitspension (-rente) gibt, aber es gibt kaum etwas Beschämenderes, als es bereits in jungen Jahren  annehmen zu müssen und sich viele Jahre, ja Jahrzehnte nicht daraus befreien zu können!

Als wir 1997 erstmals die Pension auf zwei Jahre befristet zuerkannt bekamen, ohne Probleme, aber auch ohne Angebot einer Rehabilitation, diese wurde vielmehr am Bescheid explizit ausgeschlossen, war es wohl der größte Schock in unserem Erwachsenenleben.

Wir sollten von nun an die folgenden 14 Jahre damit verbringen, stets nur zwei weitere Jahre befristet die Sozialleistung zu erhalten, ohne eine Unterstützung zu bekommen wieder ins Berufsleben einsteigen zu können. „Werd‘ gesund, aber wir helfen dir nicht dabei!“, so kommt uns diese Haltung vor. Das war zynisch und hat eine tiefe Wunde in unsere Seele geschlagen.

Wir schäm(t)en uns so sehr mit allen Bemühungen von alleine nicht wieder herauszukommen von dieser Zuwendung. Wir wollten die Pension niemals haben, sahen und sehen allerdings keine andere Möglichkeit zu überleben.

Dafür erhielten wir fast selbstverständlich bei allen Ämtern und immer dann, wenn wir unseren Beruf angeben mussten Ablehnung bzw. süffisante Kommentare von den unterschiedlichsten Menschen.

Wir waren und sind es noch, eine Ausgestoßene aus weiten Teilen der Gesellschaft. Es gibt nur wenige, die davon wissen und uns dennoch anerkennen.

Sich selbst die Schuld zu geben für die Folgen der erlittenen Gewalt ist Teil einer komplexen Traumafolgestörung wie DIS. In dieser falschen Selbstwahrnehmung noch kontinuierlich von weiten Teilen der Gesellschaft bestätigt zu werden hemmt und erschwert alle Anstrengungen zu heilen und ist retraumatisierend. Leider ist dies nicht ein Ausnahmefall sondern Teil des gesellschaftlichen Systems.

Mittlerweile sind die Zugangsvoraussetzungen zur Berufsunfähigkeitspension andere geworden über die wir keine Auskunft geben können, wir kennen sie selbst und die Folgen für die Betroffenen zu wenig.

Nach diesen 14 Jahren Befristung hatte auch die Pensionsversicherungsanstalt aufgegeben, dass wir wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen werden und diese beendet.

Auch wenn das eine Erleichterung war, war es auch das Gefühl jetzt komplett aufgegeben zu werden.

Jahre lang hatten wir uns das Gehirn zermartert, wie wir es von komplett berufsunfähig auf 100% leistungsfähig ohne Übergangsfrist und Eingliederungshilfen schaffen könnten. Wir haben bis heute keine Antwort dafür! Vielleicht werden wir einen Einstieg ins Berufsleben erst dann schaffen können, wenn die Berufsunfähigkeitspension in eine Alterspension umgewandelt wurde. Denn mit dieser dürfen wir auch arbeiten ohne die Sozialleistung zu verlieren. Anders mit der Berufsunfähigkeitspension. Hier besteht die Gefahr die Zuwendung zu verlieren und in noch geringer dotierte Sozialleistungen wie die Mindestsicherung abzustürzen.

Hilfreich ist das alles nicht. Nicht für uns und nicht fürs Sozialsystem!

Leben mit DIS #30: Das Haus

Manchmal triggern auch Blogs von denen es einfach so überhaupt nicht erwartet wurde.

Eine liebe Blog-Freundin hat vor kurzem einen Beitrag zu einem Haus, einem Wohnprojekt geschrieben. Ich verlinke ihren Blog bewusst nicht, weil es gemeinsam mit meinem hier geschriebenen Text vielleicht zu schnell bzw. leicht meine Anonymität aufheben könnte, die ohnedies schon sehr durchlöchert ist.

Es ist mehrere Jahrzehnte her, dass dieses Haus und seine Bewohner*innen eine große Rolle in unserem Leben spielten. Tränen fließen uns immer und immer wieder über die Wangen wenn wir an damals denken. Es war unsere letzte Arbeitsstätte bevor wir um Berufsunfähigkeitspension ansuchen mussten. Die letzte reguläre Arbeitsstätte vor dem Eingeständnis, dass wir es nicht schaffen werden ein „normales“ Leben zu führen. Und nein, wir wollen jetzt nicht über normal und abnormal debattieren. Es geht darum, dass wir uns eingestehen mussten, dass unser – damals noch MEIN Leben – nicht in den üblichen geregelten Bahnen verläuft, dass wir es nicht schaffen einen Job auszuüben und offensichtlich so krank sind, dass wir staatliche Unterstützung benötigen um zu überleben. Damals waren wir noch keine 30 Jahre alt.

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Leben mit DIS/DDNOS #26: Zusammenfügen was zusammen gehört …

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Kristallbett aus Brasilien / Casa de Dom Inacio

„Mit dieser Behandlung bekommt ihr vielleicht nicht immer was ihr wollt … aber dafür bekommt ihr, was in diesem Moment am Nötigsten ist.“

(Joao de Deus)

https://www.feelyoursoul.at/kristallbett-der-casa-de-dom-inacio-joao-de-deus/

Anfang dieses Jahres wurden die Depressionen wieder sehr stark. Das hatte vermutlich mehrere Gründe, die wir kennen, aber hier nicht von Belang sind.

Wir beschlossen damals uns wieder einmal Kristallbettsitzungen zu gönnen. Das ist eine Behandlungsmethode, die wir 2013 in Brasilien kennenlernten und die uns so sehr weiterhilft. Bereits nach der ersten Sitzung war der Gedanke in uns, dass wir uns von unserem kleinen Erbe ein eigenes Kristallbett zulegen wollen. Dieser Plan reifte und wir zögerten wieder und überlegten und dann kam Covid-19 und der Lockdown.

Unsere Kristallbettsitzungen fanden eine Unterbrechung nachdem wir uns die Worte unserer Regierung sehr zu Herzen nahmen und nicht wagten außer Haus zu gehen und noch dazu öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Erst Ende April erlaubten wir uns wieder einen Termin. Nun Heilbehandlungen waren ja stets gestattet sagten wir uns. Auf alle Fälle hatte diese Zeit unsere Entscheidungsfreudigkeit sehr beschleunigt und obwohl wir in den letzten Monaten immer auch auf willhaben.at nach Kristallbetten ohne Erfolg Ausschau gehalten hatten, gab es plötzlich zwei zum Verkauf. Ein Bett aus Brasilien wäre ohnedies aktuell nicht zu erhalten und wer weiß, ob es denn je wieder möglich wäre? Wir wollten diesen Heilbehelf unbedingt bevor ein evtl. neuerlicher Lockdown bevorstünde. So waren unsere Gedanken damals.

So sind wir seit 2. Mai glückliche Besitzerin eines Kristallbetts. Mehrmals wöchentliche Nutzung führte nach viel Chaos und Schmerz zwischendurch ca. 6 Wochen später zu einer besonderen Erfahrung.

Plötzlich purzelten die schlimmsten Erlebnisse meines Jugend- und Erwachsenenlebens, die stets getrennt im Gedächtnis aufbewahrt wurden, von verschiedenen Innenwesen getragen, ineinander und ergaben einen Sinn. Es ist ein schmerzvoller Film, der die Logik unserer Handlungen aufzeigt und wie wenig Handlungsspielraum wir gehabt hatten als Jugendliche und Erwachsene unser Leben anders zu gestalten. Es ist nicht unsere Schuld, dass wir in Berufsunfähigkeitspension sind. Vielmehr scheint es ein Verdienst zu sein noch zu leben und unsere Existenz gesichert zu haben.

Manchmal ist weniger mehr. Im Grunde sagt dieser Absatz alle Selbsterkenntnis der letzten Wochen aus. Eine zeitlich zusammenhängende Erinnerung über die letzten 35 bis 40 Jahre unseres Lebens kommt einem Wunder gleich. Stets waren es nur Erinnerungsfetzen, die unkontrolliert auftauchten und uns verwirrt und voll Schmerz zurückließen. Nie ließen sie sich in einen größeren Kontext einbetten um daraus eine Erkenntnis zu gewinnen oder zumindest einen Überblick über unser Leben. Aber genau dies ist geschehen, wir konnten die Erinnerungen bewusst hervor holen und in eine zeitliche Abfolge setzen. Unser Buch kann so viel einfacher geschrieben werden. ∑Ich kann das Glücksgefühl dazu ganz schwer beschreiben.

Vielleicht nur mit jenem Satz, der sich zum Abschluss unserer Kristallbettbehandlung gestern in unseren Gedanken bildete:

„DAS GRÖSSTE GLÜCK IST ERLITTENEN SCHMERZ UND LEID IN ERKENNTNIS TRANSFORMIEREN ZU KÖNNEN UND SICH SELBST DEN WEG DORTHIN ZU VERZEIHEN!“ © „Benita Wiese“ – lebendig werden/wordpress.com (Gedanke zum Abschluss einer Kristallbett Sitzung am 14.6.2020)

Dazu ist noch ein weiter Weg zu gehen, aber es macht uns Mut, dass sich ganz zum Ende ein tiefes inneres Wissen bildete: „Ich werde gesund werden!“ Unfassbar, neu, sicher in mir ruhend.

 

Danke Corona …..

Ich/wir können gar nicht sagen, wie sehr wir uns darauf freuen, dass sich das Land, eigentlich vor allem diese Stadt, ab Montag im Schlafmodus befinden wird. Wir versäumen nichts, brauchen keine Termine aus Überforderung abzusagen und uns schlecht fühlen, weil wir so wenig Ressourcen und Kraft für Sozialkontakte haben.

Und wenn dann auch noch die Straßen leer sind und kaum Autos fahren, beginnen wir zu feiern. Wir hoffen so sehr auf Ruhe, die wir dringend benötigen. Und noch dazu leben wir dann für (hoffentlich) kurze Zeit nicht mehr das Leben einer Außenseiterin. Endlich sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Rückzug für alle!

Wie jemand im Forum des STANDARD geschrieben hat, sind es ideale Zustände für Sozialphobiker*innen. ….. So ist es.

Wenn da nicht diese Vision gewesen wäre, dass wir bald sterben werden. Diese Eingebung war plötzlich da. Und zwar zu einer Zeit als es in Wien noch gar keine Corona Fälle gegeben hatte. …… Wir haben innerlich so darauf reagiert, dass wir gerne noch weiterleben wollen. …… Zur Risikogruppe für das Virus gehören wir jedenfalls nicht. ….. Vielleicht brauchten wir wieder einmal das bewusste Bekenntnis zu unserem Leben? …… Jetzt wollen wir die für uns hoffentlich ruhigen kommenden Wochen dafür nutzen in eben diesem Leben weiter anzukommen.

Gedanken – noch immer „Helfer“ und auch Gefühle

Luise Kakadu benennt in diesem Beitrag in ihrer direkten Art das Problem schonungslos. Und weil es so sehr das Wesen des Hilfssystems trifft, wie sie es beschreibt, teile ich es gerne auf meinem Blog.

Weil es eben nicht immer nur möglich ist sich auf das System auszureden und weil es nicht sein kann dass die Opfer alles verstehen und verzeihen müssen. Und es kann auch nicht sein, dass die Opfer eine Verbesserung des Systems erkämpfen müssen!!!

Ich habe immer sehr viel Verständnis, weil es eben nicht anders geht, überhaupt Hilfe zu erhalten, aber es retraumatisiert oft. Auch wenn es sehr wichtig ist die Selbstverantwortung der Opfer einzufordern und zu fördern, aber das passiert oft nicht bzw. nicht so, dass es hilfreich wäre.

Selbstverständlich ist es ein Problem, dass sich Menschen vielleicht einen Hilfsjob viel romantischer vorstellen als er ist. Tatsache ist auch, dass über Trauma und Hilfe für Traumaopfer einfach viel zu wenig bekannt ist. Dass z.B. PTBS erst in den 1980ern erstmals als Diagnose auftaucht. Andere Bezeichnungen gab es davor wohl, aber alle Forschungen bezogen sich auf Kriegsheimkehrer. Vergewaltigung und Gewalt gegen Kinder in der Familie waren davor zwar auch erkannt, aber nicht anerkannt. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte. (Sigmund Freud erkannte das Ausmaß von Gewalt an Frauen, war jedoch so erschüttert, dass er seine Studie umschrieb. Frauen wurden fortan hysterisch genannt.) Es bedeutet, dass die Traumaforschung noch immer fast in den Kinderschuhen steckt.

Die Opfer können dafür aber nichts und ein ehrlicher Umgang mit ihnen auch über das fehlende Wissen bzw. die Angst der Helfer ist eine Frage des Repekts gegenüber der Hilfe suchenden Person.

Bevor ich in Berufsunfähigkeitspension ging, arbeitete ich zehn Jahre mit wöchentlich einer Packung Schmerztabletten, weil der psychische Stress so stark war, dass es ohne tägliche massive Kopfschmerzen nicht ging berufstätig zu sein. Einmal rechtfertigte ich mich wegen eines Fehlers mit: „Das habe ich aber nicht gewusst!“ Mein damaliger Chef antwortete mir darauf: „Information ist eine Holschuld!“

In keinem Beruf in der Privatwirtschaft ist es möglich zu sagen, dass ich etwas nicht wisse und darum die Arbeit schlecht mache oder die Kunden Verständnis dafür haben müssten. Aber Opfer haben eben keine Lobby und sie sind psychisch schwach, besonders wenn sie auf Hilfe dringend angewiesen sind. Und meist haben sie auch keine Angehörigen die in diesem Fall helfend für sie ihre Angelegenheit durchkämpfen. Ich erinnere Gewalt als Kind in der Familie bedeutet, dass die eigenen Eltern Täter sind statt Unterstützung und das zieht sich auch in andere Beziehungen der Opfer.

So jetzt endlich der Text von Luise Kakadu. Herzlichen Dank, liebe Luise für deine klaren Worte, die mich immer wieder unangenehm aufrütteln. Da liegt soviel Kraft in dir. 🙂 ❤

Da ich nur den gesamten Text rebloggen konnte, möchte ich daruf hinweisen, dass der Teil mit der Auseinandersetzung mit Helfenden und dem Hilfssystem erst weiter unten beginnt.

Ab diesem Satz: „Gestern, der Austausch in den Kommentaren mit Isa (weiter unten), gab mir einiges zum Nachdenken.“

 

Heureka! – ∑Ich hab einen Job

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Hm — „Warum Job? Du bist doch in Berufsunfähigkeitspension!“, höre ich meine geneigten Leser/innen argumentieren.

Genau DAS ist der Anlass zu obiger Erkenntnis und Feststellung. Fast schon 20 Jahre in „Rente“. Als Österreicherin kann ich das nur unter Anführungsstrichen schreiben. „Pension“, wie es bei uns heißt, hat etwas viel Gemütlicheres. Klingt wie Urlaub. Eine kleine Pension mit netten, bequemen Zimmern an einem Ort fernab des Alltags. Gerne mit Familienanschluss und in schöner Umgebung. Viel Wald, viel Ruhe, vielleicht Berge rundum und ein herrlich klarer See. Was will Frau mehr zum Entspannen.

„Berufsunfähigkeitspension“ ist also Urlaub, Entspannung pur und damit Grund mir diese im unteren Einkommenssegment angesiedelte Sozialleistung zu neiden. Wie oft habe ich schon Aussagen gehört wie: „Wie haben Sie denn das geschafft!“ – eine Pension zu erhalten, also eine geniale Gaunerei. Oder „Warum, Sie sind doch gesund!“ – von Menschen, die mich nicht kennen, die mein Äußeres beurteilen. Die schwierigsten Bemerkungen sind: „Du hast ja Zeit, du arbeitest ja nicht!“, oder bloß „Du arbeitest ja nicht!“ quasi als Vorwurf. Aber auch „Willst du denn gar nichts mehr arbeiten?“ Am Schmerzvollsten war das „Du arbeitest ja nicht!“ aus dem Mund meines damals 6jährigen Neffen. Es zeigte mir, wie meine Ex-Schwägerin und deren Familie aber auch meine Familie über mich denken.

Um diese und andere „Missverständnisse“ zu parieren und innerlich nicht daran kaputt zu gehen, habe ich mir zurecht gelegt, dass ich arbeite. Sogar viel arbeite, wie mir meine Therapeutin und auch andere Menschen, die sich mit meiner Geschichte und meinem Leben ernsthaft befassen bislang glaubhaft vermittelten. Allerdings ist es recht schlecht bezahlt.

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