Ein Loch in der Wand und eine renovierungsbedürftige Wohnung sind geblieben von dem Ort, den meine Großtante 45 Jahre bewohnte.
Anfang Februar habe ich die Wohnung an die Hausverwaltung zurück gegeben. Seit dieser Zeit versuche ich langsam wieder Fuß zu fassen in ∑meinem Leben, obwohl es weiterging wie zuvor, war doch vieles anders geworden.
Einen Monat, höchstens zwei dachten wir würde uns die Verlassenschaft unserer Großtante in Anspruch nehmen. Daraus geworden sind dann über ein halbes Jahr Arbeit, die uns zum Teil weder Zeit noch Kraft für anderes ließ. Und noch sind wir nicht ganz fertig. Ein halbes Jahr in dem wir unsere Mutter mitunter einmal wöchentlich gesehen haben, was eine Ausnahmesituation für uns darstellte. Der Kontakt zu unserer Mutter ist im Normalfall auf ein Treffen jährlich beschränkt, was gut für uns war. Es galt ihre Angriffe zurück zu weisen, was uns gut gelungen ist. Und als das Thema Gewalt in der Kindheit als Gesprächsthema endlich ausgespart wurde, weil ich sonst den Kontakt nicht halten hätte können, war es sogar ein brauchbares Arbeitsklima. Ja, ein Arbeitsklima und nicht mehr, aber zumindest dieses. Die Aussicht Geld für ∑meine neue Wohnung zu erwirtschaften gab uns viel Kraft.
Es kamen irgendwo auch Innenwesen hervor, die Mama ganz gern haben, was für alle anderen belastend war. Wie auch immer, wir haben etwas geleistet, das uns viel Selbstvertrauen gab. Selbstvertrauen, das enorm gelitten hat, seit wir in Berufsunfähigkeitspension sind. Es war eine Zeit, die anstrengend und stressig war, in der wir meist über unsere Grenzen gingen, aber es war auch fast Urlaub von uns selbst. In Therapie ging es meist um Stabilisierung, um die Aufgaben so gut es ging zu bewältigen. Traumatherapie hatte hier keinen Platz. Das war eine große Belastung und zugleich erholsam. Ein halbes Jahr in der Gegenwart leben und nicht in der Vergangenheit herumstochern hat etwas sehr erdendes. Obwohl dies auch nicht stimmt. Mit den Habseligkeiten der verstorbenen Großtante konfrontiert, kam es ebenso zu einer Konfrontation mit der Vergangenheit. Es kam zur Auseinandersetzung mit der Frage, weshalb hat sie uns nicht geholfen, wo war sie und letztlich zu einer Versöhnung mit ihr.
Es tat einfach gut gebraucht zu werden. Es war eine Zeit, in der ich tatsächlich Anerkennung in meiner Familie erlebte, was für uns einem Wunder gleichkommt. Unsere Mutter wusste, dass sie es nicht geschafft hätte, diese Verlassenschaft abzuwickeln. Ich habe ihr dieses Erbe ermöglicht. Wer war bzw. ist dieses ICH, die dies mitunter souverän erledigt hat?
Da war ein Innenwesen, das uns fremd war? Oder doch nicht? War sie es, die früher berufstätig war? Tatsache ist auch, dass wir uns derzeit gespaltener erleben als vor dieser Tätigkeit. Vielleicht weil Innenwesen, die in den Tiefen des Körpers schlummerten aktiv werden mussten? Gibt es welche, die in unserem von Therapie und Selbstbespiegelung geprägten Alltag keinerlei Aufgaben haben, oder denken keine Aufgaben zu haben? Wollen sie von diesem erforschen der Seele einfach nichts wissen?
Während dieser Phase der Räumung hatte unser Leben einen Sinn. Es war so einfach allen unsere Erschöpfung zu erklären und wir konnten einfach darüber sprechen was wir täglich erlebten. Wir waren Teil einer Gesellschaft zu der wir sonst wenig Zugang haben. Jetzt haben wir wieder einen Job, der psychisch um so vieles anstrengender ist, als jener eine Verlassenschaft abzuwickeln, vor allem deshalb, weil unsere Therapie-Arbeit meist nicht geschätzt oder verstanden wird. Und wir leben wieder in größerer Isolation. Wie unser Alltag aussieht, kann nur mit Vorsicht vermittelt werden.
Dass wir diese Verlassenschaft jedoch abwickelten und die Traumafolgen dieses halbe Jahr verdrängen mussten und wieviel Anstrengung das kostete, konnten wir auch nur wenigen ausgewählten Personen erklären. Diese besonderen Freund*innen und die Therapie waren es auch, die uns halfen diesen Job zufriedenstellend zu erledigen. Dafür bin ich ihnen von Herzen dankbar.
∑Mein Leben geht so sehr bergauf. Wir haben schon viel erreicht.
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