Über den Mut nachts zu schlafen

Es braucht sehr viel Mut nachts zu schlafen – meist noch zu viel Mut sich gegen die Gespenster der Erinnerung zu stemmen, die unweigerlich hochkommen sobald wir uns früher schlafen legen. Wann würden Flashbacks und Panik aufhören, wenn wir uns täglich dazu zwingen könnten? Würden sie  jemals aufhören?

Es braucht sehr viel Mut zu UNS zu stehen, trotz der großen Gefahr und langjährigen Erfahrungen der Ablehnung und des Unverständnisses. Es braucht fast übermenschlichen Mut sich mit gestellten Fragen und mehr noch mit ungestellten Fragen und geglaubtem Verstehen der anderen oder deren Unwillen zu verstehen zu konfrontieren bei jeder Begegnung, die uns wichtig ist oder werden soll.

Es braucht sehr viel (mehr) Mut zu leben, statt bloß zu überleben und auf den Tod zu warten, Jahrzehnte lang und sich bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend abzulenken.

Leben, vielmehr lebendig sein ist so viel schwieriger als wir es uns erträumt hatten.

Ob diese Erkenntnisse helfen die Kraft aufzubringen leben zu wagen, statt in Selbstaufgabe bzw. Selbstverleugnung und -verletzung zu verharren?

Hoffentlich! Noch suchen wir die Kraft für diesen enormen Kraftakt und das Wagnis – Sein!

Aber vielleicht geht es nur in ganz kleinen Schritten, zwei nach vorne und einen retour?

Ein Ende der Qual wäre schön!

Abschied nehmen!

Seit gestern ist er vermehrt an unserer Seite.

Gerade als beim meditieren diese Depression hochstieg und Innenwesen mit Tränen in den Augen riefen: ”Ich will nicht nach Wien!” und durch nichts zu beruhigen waren, kam er, einer der beiden Kater des Hauses. Er half beim zur Ruhe kommen und spendet Trost. Auch jetzt liegt er in unserer Nähe.

Oft fühlen wir uns in dieser Stadt gefangen, die seit einigen Jahren bereits die Auszeichnung trägt, die lebenswerteste Stadt der Welt zu sein. Oh ja, sie ist schön. Zum Teil ein Freilichtmuseum, umrahmt von Natur. Aber sie trägt eine ansteckende Negativität im Herzen, die deren Bewohner*innen heimsucht. Der Wiener Grant war uns sogar als geborene Wienerin stets zuwider. Wir können und wollen im Jammern nichts Charmantes erkennen.

Aber wir können nicht weg. Nur in dieser Stadt, die uns in ihren Krallen festhält können wir uns eine Wohnung leisten. Oft und oft haben wir es durchgerechnet. Ohne soziale Zuschüsse gibt’s keine Wohnung für uns und dafür müssen wir einige Jahre ohne staatliche Unterstützung an einem Ort in Österreich leben, wenn wir aus Wien fortziehen wollten. Unmöglich! Es ist die Kleinteiligkeit dieses kleinen Staates, der bis ins Letzte in politische Zuständigkeiten unterteilt ist mit eigenen Gesetzen. Das hat einige Vor- und viele Nachteile. Dennoch bin ich dankbar, dass Wien politisch anders tickt, als weite Teile des Landes. …… „Jeder noch so schöne Ort ändert sich, wenn du dort lebst.“, wirft eine innen in die Debatte ein.

Stimmt! Ob ich hier leben wollte, wo ich meine Sommer verbringe? Wohl eher nicht. Das Wesen der Einwohner ist auch hier oft schwierig.

Wien hat viele Vorteile. Von der Kultur über die Anonymität der Großstadt und die grüne Lunge den Wienerwald, ist diese Stadt tatsächlich lebenswert. Vielleicht, so hoffen wir, wird es besser – vor allem ruhiger – in der neuen Wohnung, die am anderen Ende der Stadt liegt. Dort, wo wir kaum Kindheitserinnerungen haben, das könnte Trigger minimieren — hoffentlich! Fast eine uns fremde Stadt in der großen Metropole, die eigentlich zu klein scheint für eine solche Bezeichnung.

Wenn die Wohnung endlich gebaut würde und wir dann eingezogen sind, dann ….. Dann nehme ich mir eine Katze oder einen Kater, die uns trösten, so hoffen wir, wenn es zuviel wird rundherum. 🐱

Schreiben bedeutet ….

Gedanken zum Schreiben an meiner/unserer Autobiographie:

„Schreiben bedeutet Transformation meiner/unserer Vergangenheit in eine Form, die für uns erträglich ist und mit der wir leben können.“ Benita Wiese

Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er eine Geschichte dazu — man kann nicht leben mit einer Erfahrung, die ohne Geschichte bleibt, scheint es, und manchmal stellte ich mir vor, ein anderer habe genau die Geschichte meiner Erfahrung. ….

Max Frisch: „Mein Name sei Gantenbein“, S 897

Sie verhalten sich nicht zur Gegenwart, sondern zu einer Erinnerung. Das ist es. Sie meinen die Zukunft schon zu kennen durch Ihre Erfahrung. Drum wird es jedesmal dieselbe Geschichte.

Max Frisch: „Biographie“, S 639

Geteiltes Leid ist halbes Leid?!

Dieser Beitrag entstand als Reaktion auf ein Gespräch mit meiner Liebsten:

Habe ihn vor einigen Tagen beim Bügeln nochmals angesehen, den Film: „24 Wochen“.  Ich will an deiner Seite sein und dann sind sie da, die Fragen, die ich nicht zu stellen wage.

Wir wagen sie nicht zu stellen, weil wir nicht wissen, ob wir mit der Antwort oder vor allem mit der Emotion dahinter umgehen können, ob wir so reagieren können, dass es dir gut tut und weiterhilft.

Und das sagen gerade wir, die wir immer darunter litten, dass uns niemand fragt, weil diese Angst bei anderen so sehr besteht. Und wir erkennen, wie tief, diese Angst in uns ist. Ist es auch die Furcht vor den eigenen Gefühlen, vor unserer nur zum Teil zugänglichen Erfahrung der ehemaligen Schwangerschaft, die vielleicht von deinem Erleben angetriggert werden könnte. Wo wir bis heute nicht erinnern, ob wir zu einer Abtreibung gezwungen wurden. Wir möchten keine Angst haben, wir wollen hinsehen, gemeinsam, alleine, gleich in welche Untiefen es uns führt. Wir wissen, dass wir schwimmen können und durchtauchen, egal was kommt!

Deine Worte: „Ich hab mein Kind umgebracht!“ sitzen tief in uns. Sehen wir das auch so? Machen wir dir Vorwürfe deshalb? Können wir diese, deine Entscheidung mittragen, verstehen oder akzeptieren, dass wir vermutlich niemals wirklich eine Meinung dazu haben können oder dürfen, da wir nicht in dieser Situation waren. Können wir dein Leid mittragen? Können wir Trost spenden für eine Lebenserfahrung, die vielleicht nicht zu trösten ist? Das beginnen wir erst zu verstehen!

Dieser Satz von dir hat es so sehr auf den Punkt gebracht, dass du nochmals in einer so viel schwierigeren Lage warst, als es eine Freundin war, deren Kind „bloß“ zu einem späten Zeit der Schwangerschaft im Mutterleib verstarb. Dass das nicht vergleichbar ist!!!

Wir sind es, die stets nach Gutem suchen in entsetzlichen Lebenslagen. Es rettet unser Leben, im Misthaufen unserer Kindheit und unseren Lebens, in dem größten Leid, die Stecknadel des Guten zu suchen. Was kann nur gut daran sein, sich in einer solchen Situation zu befinden? Wir haben dich danach gefragt, nach dem Guten in diesem Erleben. War das in Ordnung? Du hast uns einmal erzählt, dass es nicht die Behinderung gewesen wäre, die dich zu diesem Schritt bewogen hätte. Es war die Erklärung der Ärzte gewesen, dass dieses Kind wohl in seinem gesamten Leben mit starken Schmerzen leben müsste. Das war der Grund, dich für diese Spätabtreibung zu entscheiden. Welche Ohnmacht, Erklärungen von Ärzten ausgeliefert zu sein und auf dieser Basis eine Entscheidung über ein Menschenleben treffen zu müssen. Über mindestens ein Menschenleben, wo doch die Entscheidung unmittelbar ebenso das Leben der größeren Schwester, deiner Erstgeborenen betrifft, wie deines. Mindestens diese beiden Leben der Kinder lagen in deiner Hand. Ist es das Gute daran, dass du dich entscheiden durftest für eine Abtreibung nach medizinischer Indikation, wie du es getan hast in unserer Gesellschaft, oder ist es vielleicht sogar schlecht?

Welch große Entscheidung ist das? Eine Entscheidung, die zu groß für die Seele erscheint, gleich wie sie ausfällt. Und wie ist es möglich, diese Entscheidung loszulassen? Zu sagen, ich habe das getan und stehe dazu. Niemand kann jemals wissen, ob es die richtige Entscheidung war. Gibt es ein richtig und falsch in diesem Zusammenhang überhaupt? Gibt es nicht nur ein: „Ich muss eine Entscheidung treffen und das ist meine Entscheidung, nach bestem Wissen und Gewissen zu diesem Zeitpunkt!“ Und danach mit den Folgen leben.

Du sagtest, heute ist es gut. Das Leben ist gut so, wie es ist. Dennoch ist da noch immer diese tiefe Wunde, die ich fühle. Was sagt dein Sohn? Ich wüsste es so gerne. Ich weiß, dass es möglich ist mit Verstorbenen zu kommunizieren. Wir konnten es, oder glaubten es zu können. Wie können wir bei dir sein, ohne dich in eine Richtung zu drängen, die vielleicht unsere wäre und nicht deine. Wir wollen bei dir sein und deinen Weg, dein Leben begleiten. Mehr steht uns nicht zu und es ist eine große Ehre, wenn wir das dürfen.

Wir respektieren deinen Weg immer mehr, fühlen immer mehr mit dir, auch wenn es Trauer und Tränen sind, die wir teilen. Du öffnest uns deine Seele, dafür sind wir unendlich dankbar. Es gibt kein größeres Geschenk.

Mut ist wenn du mit der Angst tanzt

Ein wunderschönes Lied, wie ich finde. Danke an Marie, dass sie es hier geteilt hat. …… Ich möchte es noch weiterschicken, weil es uns so aus der Seele spricht und berührt.

Tröstliche Tränen

und ∑meine unterschiedlichen Methoden zur Heilung.

Von ganz tief unten formen sich Tränen und rollen leise und sanft die Wangen hinunter. Unaufdringlich und zärtlich tröstend streicheln sie die zarte Haut im Gesicht. Sie sind Zeichen von Schmerz und Trost zugleich. Trost, weil wir sehen dürfen, weil wir fühlen dürfen, was ganz tief begraben ist, was nur seltenst gefühlt werden darf und kann. Zuletzt und als bislang einziger schaffte es der geliebte verstorbene Kater uns dieses Gefühl zu schenken. Geliebt werden, einfach so.

Seit einer Woche meditieren wir täglich 23 Min. Davor hatten wir die Meditation vielleicht zweimal wöchentlich gemacht. Es ist eine geführte Meditation bei der es gilt den Fokus auf die Zukunft zu richten, zu imaginieren, wie es sein könnte.(*)  Mir vorzustellen, was ich mir wünsche. Anfangs war es einfach und erleichternd. Jetzt scheinen wir in tiefere Schichten vorzudringen. Die Wünsche verändern sich. Zumeist ist Heilung der Wunsch. Heute war es geliebt zu werden. Und es war anfangs nicht möglich mir dieses Gefühl vorzustellen. Da war nur diese Leere. Ein Nichts. Bis wir Timmis Liebe (der Kater) als einzigen Bezugspunkt fanden. Als Erinnerung geliebt worden zu sein. So ein Glück!

Obwohl das Einfühlen nun intensiver zu werden scheint, fühle ich mich sehr wohl mit dieser Meditation und wenn ich sie nur einen Tag aussetze, fehlt mir etwas.

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Geh hinaus und leb dein Leben

Meine lieben Leserinnen und Leser,
Dieses Gedicht von Seelenkarussell fühlt sich für mich/uns so gut an. Es nimmt Bezug auf Gefühle, die knebeln und dennoch hinausgehen, und das eigene Leben leben.
Tatsächlich muss ich auch sagen, dass sich Vieles bei mir ändern momentan. Das tägliche Trampolin schwingen bzw. hüpfen und nun auch meditieren. Positives kommt in mein Leben und ich bin unendlich dankbar und freue mich. Es knebelt noch Vieles, aber da ist die Zuversicht einen Platz zu schaffen, wo ich glücklich sein kann. Selbst wenn es sogar ängstigt so etwas zu denken, gilt es diese Furcht loszulassen. Das ist mein Weg.
Diesen Platz wo ihr glücklich seid, wünsche ich euch allen und geht weiter, es ist möglich, das will ich sagen, auch dann wenn’s grad schwierig ist. Ich schicke euch ganz viel Kraft und Mut. Ich kann verstehen, wenn die eine oder der andere diesen Beitrag vielleicht sogar als zynisch empfinden mag in dunklen Augenblicken. Das ist nie meine Absicht. Habt Mut es gibt Zeiten wo es leichter wird, vielleicht sogar ganz leicht. Das darf sein.
Danke Gabi für dieses schöne Gedicht, das so schön beschreibt, lebendig zu sein.
Herzliche Grüße an euch. 🌼🍀🍀🍀❤️

Einen Moment innehalten

LebenGeh hinaus und leb dein Leben,
ohne Angst vor Niederlagen,
lass deinen Geist zum Himmel schweben,
und scheu dich nicht, stell deine Fragen.
Lass ab von allem Überfluss,
von dem, was deinen Geist vernebelt,
bring alles zu ’nem guten Schluss,
lös auf, was deine Seele knebelt.
Begegne Menschen mit Respekt,
sei hilfsbereit und fair,
halt die Gefühle nie bedeckt,
denn ohne sie wird’s Leben schwer.
Behandle Freunde wie ein Schatz,
was hilflos ist, beschütze,
such in der Liebe deinen Platz,
sie ist dir Halt und Stütze.
So geh hinaus, und leb dein Leben,
in dieser Welt bist du daheim,
du findest nicht den Garten Eden,
doch deinen Platz zum Glücklichsein.

Copyright seelenkaurssell

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„Mein“ Körper

∑Ich führe einen Kampf gegen meinen Körper. Das geht so weit, dass ich ihn nicht als „mein“ bezeichnen mag. Die Osteoporose, die als Folge der Krebserkrankung und erblich bedingt an meinen Knochen nagt, ist weiter fortgeschritten. Die Medikamente, die laut Testmethoden helfen haben eine Vielzahl an Nebenwirkungen, die uns enorm ängstigen. Einige davon haben wir bekommen. Acht Jahre haben wir unterschiedliche Präparate verabreicht bekommen, mit leichten Verbesserungen, ohne Krafttraining, das am besten für den Knochenaufbau sein soll. Seit 1 ½ Jahren haben wir die Therapie beendet, auf eigenes betreiben. Die Nebenwirkungen sind mittlerweile glücklicherweise verschwunden, leider wurde die Knochendichte wieder geringer. Es gibt Hinweise, dass das der Effekt des Medikaments sein kann. Ein Suchtmittel für den Knochen?

Der Körper, der uns trägt tagaus, tagein muss funktionieren. Zuvor wollte ich zum Krafttraining gehen, um gegen diese Krankheit anzukämpfen. Aber meine Seele war nicht dabei, ich war nicht dabei. Als wir den Körper aus der Wohnung bewegen wollten – entweder jetzt sofort, oder es geht sich heute nicht mehr aus – da rief es in uns: „Ich hasse diesen Körper, der Männer nur immer geil gemacht hat, uns aber niemals Liebe brachte.“

Ja, das war die Wahrheit. Dieser entsetzliche Kampf gegen diesen Körper in Worte gefasst. Wenn ich in den Spiegel sehe, sehe ich einen für sein Alter ansehnlichen Körper, aber lieben kann ich ihn kaum. Ganz selten nur. Meist ekelt mir und mir kommen Tränen. Der Schmerz ist nahezu unerträglich und es wundert mich nicht, dass der Körper an diesem nun langsam zerbricht, sich auflöst.

Gestern führten wir ein langes Telefonat mit einer Notrufnummer, weil wir verzweifelten an dem Befund, den wir Mittwoch abends aus dem Postkasten zogen. Wir verzweifelten, weil wir keinesfalls wieder diese grausamen Osteoporosemedikamente nehmen wollen. Weil aber Wirbelbrüche und Knochenbrüche als Folge der Osteoporose entsetzlich schmerzhaft sind, die wir uns so lange wie möglich ersparen wollen. Wir hatten noch niemals einen Knochen gebrochen. Außer einer angeknacksten Rippe.

Gestern dachten wir, dass wir evtl. nicht sehr alt werden. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Gestern hatten wir keinen Lebenswillen mehr, die Kraft zu kämpfen ist wirklich gering. Aber vielleicht geht es nicht mehr darum zu kämpfen? Sollen wir das kämpfen lassen? Lieben statt kämpfen?

Dieser Körper, der nichts, absolut gar nichts dafür kann, dass sich erwachsene Menschen an ihm vergriffen und ihn benutzten, bräuchte Liebe. Alles schreit aus ihm heraus: „Hab mich lieb!“

Leicht möglich, dass dann sogar Selbstheilungskräfte erwachen, die auch Krankheiten stabilisieren, vielleicht sogar heilen können, für welche die pharmazeutisch ausgerichtete Medizin nur sehr brutale Medikation kennt, die immer wieder als Körperverletzung beschrieben wird, wegen der Nebenwirkungen.

Wieder mehr auf meine Ernährung sehen, dankbar sein für diesen Körper, der uns trotz allem noch gute Dienste leistet. Weiter Krafttraining, Sport und alternative Therapien suchen. Er ordiniert noch unser TCM-Arzt, der uns bereits einmal so sehr geholfen hat. Und so lange es geht, wird es gehen. Wer weiß, vielleicht werde ich auf diese Art älter als eingespannt in ein straffes Therapieprogramm das mich unter pharmakologische „Drogen“ setzt?

Die Herausforderung heißt Urvertrauen. Vertrauen in das Leben selbst, dass dieses es gut mit mir meint. Gott ist das schwierig. Loslassen und Lieben statt kämpfen.

… möge ∑ich genug Mut dafür aufbringen können, das wünsche ich mir für uns.

Leben mit DIS #13: „Papa ist tot!“

„Er ist tot. Papa ist tot.“ Diese Worte gehen seit der letzten Therapiestunde in unserem Kopf herum. Werden als Mantra der Erleichterung und Bestätigung immer wieder betont. Selbst wenn es für uns keine Neuigkeit darstellt, schließlich ist er bereits vor über 16 Jahren verstorben, ist es sehr schwierig diese Tatsache wahrzunehmen und zu verarbeiten.

Das liegt daran, dass es Innenwesen gibt, die noch immer in ihrer Angst vor ihm feststeckten?!!! Darf ich es tatsächlich als Vergangenheit bezeichnen? Es wäre so schön. Eine Erleichterung, die ihresgleichen sucht! Eine sehr hilfreiche Brainspotting Sitzung brachte uns einen entscheidenden Schritt näher an dieses Ziel.

Es war ein Kommentar auf unseren letzten Beitrag, der eine Retraumatisierung und ein Flashback auslösten. Nun, das ist unser Risiko, bei den Themen mit denen ich mich an die Öffentlichkeit wage. Wir hatten überlegt, ob wir die Kommentarfunktion für den Artikel Leben mit DIS #12 ausschalten sollten, da er uns sehr nahe ging und es äußerst schwierig war zu schreiben. Wir haben es nicht getan und ich bin froh darüber. Zum einen herzlichen Dank für all jene stützenden und liebevollen Kommentare, die so gut taten, zum anderen kam da dieser schwierige Dialog, der uns aus der Bahn warf. So stark, dass eine telefonische Krisenintervention mit unserer Therapeutin notwendig wurde. Aber jeder Kommentar, der uns so destabilisieren kann, hat etwas mit uns zu tun. Selbst wenn wir nur nicht erkennen können, dass nicht alles in jenem Kommentar mit mir zu tun hat, sondern auch eine Bearbeitung eigener Schwierigkeiten ist, die mir mitunter übergestülpt werden.

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Festhalten und doch loslassen, …

… weil es sein darf und nicht festgehalten werden muss. Ein Moment, der gut tut, inneren Frieden schenkt. Loslassen, damit wieder ein solcher kommen darf. Daran gewöhnen, dass mein Leben solches für uns bereit hält. Danke!

„Du bist so ein lieber Mensch!“ — „Ich hab dich so lieb!“ … Worte, die ich höre, als ich sie bitte mich festzuhalten, weil der Boden schwankt unter unseren Füßen und ich mich bemühe, das Plenartreffen der Baugruppe meiner zukünftigen Wohnung zu überstehen. Es zu überstehen, ohne in Tränen auszubrechen oder davonzulaufen. Davor der Versuch ein Innenwesen, das vollends überfordert ist an einen sicheren inneren Ort zu bringen. Handkante klopfen, um im Körper zu bleiben oder dorthin zurück zu kehren, zumindest weitgehend.

Das Treffen ist sehr interessant. Ein Workshop über Soziokratie als Technik der Entscheidungsfindung und des Miteinander auf Augenhöhe plätschert an uns vorüber, während wir versuchen zuzuhören und zugleich Innenwesen zu beruhigen, die wahlweise davonlaufen oder hemmungslos weinen mögen, oder sogar beides.

Endlich Pause. Ich versuche zur Ruhe zu kommen. Dann die Frage: „Wie geht es dir?“ G. unsere Vertraute in der Gruppe der zukünftigen Nachbar*innen und Mitbewohner*innen fragt. Sieht sie unsere Anspannung? Spürt sie den inneren Tumult? Sie ist sehr feinfühlig, eine sehr zarte, wundervolle Seele. Wir haben uns angefreundet und bereits einige schöne und tiefsinnige Gespräche geführt. Sie weiß von DIS und sie kennt diesen Blog.

Ich antworte, dass wir gegen Flashbacks kämpfen derzeit. Es ist eine schwierige Zeit, wie jedes Jahr. Anfang Jänner wird es wieder leichter, ergänze ich. Sie meint: „Jahrestage, die es schwierig machen?“ Sie erzählt etwas über sich, nur kurz. Wir hören, können aber dennoch schlecht zuhören.

Dann fragt sie, ob sie etwas tun kann, das uns jetzt helfen kann, und wir bitten sie uns festzuhalten, was sie dann gerne tut.

Es ist das erste Mal, dass jemand fragt, was ich brauche, damit es uns besser geht. Das erste Mal außerhalb der Therapie wohlgemerkt. Das erste Mal in meinem Leben. Eine Frage, kein scheinbares Wissen, was ich brauchen könnte, das uns von außen drüber gestülpt wird, damit alles schnell wieder gut ist – scheinbar.

Und dann später diese zärtlichen Worte. Ich sage, dass ich sie auch sehr lieb hab. Ich denke, dass ich das jetzt sagen muss. Und es stimmt was ich sage, dennoch tue ich mir gar nicht leicht so etwas zu sagen.

Sie wiederholt ihre Worte nochmals, weil ich sie mit meiner Zuwendung an sie wegzuwischen drohe und ergänzt: „Ja, du bist so ein lieber Mensch, aber du weißt es nicht, weil du es viel zu selten gehört hast.“ Tränen laufen über meine Wangen. Wie recht sie hat. Wieder hält sie uns umarmt. Ganz sanft.

Als ich meine, dass ich solche Angst habe, dass diese (Wohn-)Gemeinschaft mein Sein mit der Schwere nicht tragen kann, dass ich nicht weiß, ob das gehen wird, sagt sie es ist für sie Voraussetzung, dass das gehen wird. Das gehört für sie zu den Grundregeln, dass das geht. Grundregeln, die wir als Gruppe uns erst geben wollen. Ich sage noch: „Aber ich habe auch viel zu geben.“ Sie lacht und nickt überzeugend: „Oh, ja!“

So fühlt sich Freundschaft richtig an. Das wäre so schön, wenn ich ein zu Hause finden kann in einer wohlwollenden Umgebung.

Und es ist so schön, dass ich G. kennenlernte und sie wenn alles so läuft, wie wir uns das wünschen ganz nahe wohnen wird.

Das ist ein Glücksmoment … ein ganz großer … das ist AUCH Wirklichkeit, meine Wirklichkeit 2017!

Musste es erzählen, um es zu glauben, mir zu glauben. Was für ein Tag!

 

Bild: pixabay Johnhain