Festhalten und doch loslassen, …

… weil es sein darf und nicht festgehalten werden muss. Ein Moment, der gut tut, inneren Frieden schenkt. Loslassen, damit wieder ein solcher kommen darf. Daran gewöhnen, dass mein Leben solches für uns bereit hält. Danke!

„Du bist so ein lieber Mensch!“ — „Ich hab dich so lieb!“ … Worte, die ich höre, als ich sie bitte mich festzuhalten, weil der Boden schwankt unter unseren Füßen und ich mich bemühe, das Plenartreffen der Baugruppe meiner zukünftigen Wohnung zu überstehen. Es zu überstehen, ohne in Tränen auszubrechen oder davonzulaufen. Davor der Versuch ein Innenwesen, das vollends überfordert ist an einen sicheren inneren Ort zu bringen. Handkante klopfen, um im Körper zu bleiben oder dorthin zurück zu kehren, zumindest weitgehend.

Das Treffen ist sehr interessant. Ein Workshop über Soziokratie als Technik der Entscheidungsfindung und des Miteinander auf Augenhöhe plätschert an uns vorüber, während wir versuchen zuzuhören und zugleich Innenwesen zu beruhigen, die wahlweise davonlaufen oder hemmungslos weinen mögen, oder sogar beides.

Endlich Pause. Ich versuche zur Ruhe zu kommen. Dann die Frage: „Wie geht es dir?“ G. unsere Vertraute in der Gruppe der zukünftigen Nachbar*innen und Mitbewohner*innen fragt. Sieht sie unsere Anspannung? Spürt sie den inneren Tumult? Sie ist sehr feinfühlig, eine sehr zarte, wundervolle Seele. Wir haben uns angefreundet und bereits einige schöne und tiefsinnige Gespräche geführt. Sie weiß von DIS und sie kennt diesen Blog.

Ich antworte, dass wir gegen Flashbacks kämpfen derzeit. Es ist eine schwierige Zeit, wie jedes Jahr. Anfang Jänner wird es wieder leichter, ergänze ich. Sie meint: „Jahrestage, die es schwierig machen?“ Sie erzählt etwas über sich, nur kurz. Wir hören, können aber dennoch schlecht zuhören.

Dann fragt sie, ob sie etwas tun kann, das uns jetzt helfen kann, und wir bitten sie uns festzuhalten, was sie dann gerne tut.

Es ist das erste Mal, dass jemand fragt, was ich brauche, damit es uns besser geht. Das erste Mal außerhalb der Therapie wohlgemerkt. Das erste Mal in meinem Leben. Eine Frage, kein scheinbares Wissen, was ich brauchen könnte, das uns von außen drüber gestülpt wird, damit alles schnell wieder gut ist – scheinbar.

Und dann später diese zärtlichen Worte. Ich sage, dass ich sie auch sehr lieb hab. Ich denke, dass ich das jetzt sagen muss. Und es stimmt was ich sage, dennoch tue ich mir gar nicht leicht so etwas zu sagen.

Sie wiederholt ihre Worte nochmals, weil ich sie mit meiner Zuwendung an sie wegzuwischen drohe und ergänzt: „Ja, du bist so ein lieber Mensch, aber du weißt es nicht, weil du es viel zu selten gehört hast.“ Tränen laufen über meine Wangen. Wie recht sie hat. Wieder hält sie uns umarmt. Ganz sanft.

Als ich meine, dass ich solche Angst habe, dass diese (Wohn-)Gemeinschaft mein Sein mit der Schwere nicht tragen kann, dass ich nicht weiß, ob das gehen wird, sagt sie es ist für sie Voraussetzung, dass das gehen wird. Das gehört für sie zu den Grundregeln, dass das geht. Grundregeln, die wir als Gruppe uns erst geben wollen. Ich sage noch: „Aber ich habe auch viel zu geben.“ Sie lacht und nickt überzeugend: „Oh, ja!“

So fühlt sich Freundschaft richtig an. Das wäre so schön, wenn ich ein zu Hause finden kann in einer wohlwollenden Umgebung.

Und es ist so schön, dass ich G. kennenlernte und sie wenn alles so läuft, wie wir uns das wünschen ganz nahe wohnen wird.

Das ist ein Glücksmoment … ein ganz großer … das ist AUCH Wirklichkeit, meine Wirklichkeit 2017!

Musste es erzählen, um es zu glauben, mir zu glauben. Was für ein Tag!

 

Bild: pixabay Johnhain

40 Gedanken zu „Festhalten und doch loslassen, …“

  1. Liebste Benita,

    ich weiß gerade gar nicht, was ich schreiben soll. Ich finde deine Worte so unglaublich ehrlich und selbstreflektiert, trotz allem spürt man die Liebe zu dir selbst und ich trauere ein wenig, dass ich dich schon so lange nicht mehr besucht habe. Dafür bin ich jetzt umso froher, dass ich diese Worte schreibe 🙂

    Ich möchte mich von Herzen bei dir bedanken, dass du da bist und dass du auch meine Texte liest und meine Bilder anschaust.

    Einfach nur Danke.

    Sei herzlichst umarmt und habe einen schönen Abend.

    Alles Liebe,
    Julia

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    1. Liebste Julia,
      vielen Herzlichen Dank für deine lieben Worte *superfreu und hüpf vor Freude* Jetzt weiß auch ich nicht recht was ich antworten soll, außer:
      Ich umarme dich ebenso herzlichst und wünsche dir ein wunderschönes weiteres Wochenende.
      … Jetzt fällt mir ein, dass ich einen Kommentar von dir an mich auf deiner Seite einmal unbeantwortet ließ, weil sich so viel getan hat, konnte ich nicht gleich reagieren und dann ging das glaube ich unter. Falls das so ist, tut mir das leid. Ich weiß gar nicht, ob ich den jetzt noch finde … mal sehen. 🙂

      Alles Liebe dir 🍁🌺🍁
      „Benita“

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      1. Wusstest du eigentlich, dass man Kommentare auch einfach so stehen lassen kann? Sogar stehen lassen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben?
        Ja, das geht – ich gebe zu, das mit dem schlechten Gewissen muss selbst ich noch üben, aber ganz ehrlich? Lass meinen Kommentar Kommentar sein und erfreue dich des schönen Abends… Das bringt dir mehr und mir auch 🙂
        Manchmal ist einem auch einfach nicht danach zu antworten bzw. es fehlen einem die Worte. Dann lässt man einfach die Worte des anderen in einem nachklingen. Und fertig 🙂

        Danke für deine liebevollen Worte!

        Liebe Grüße und ein schönes Wochenende zurück,
        Julia

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        1. *lach* oh, da hab ich noch einiges zu lernen, vor allem was aufpassen auf die eigenen Ressourcen und bloggen betrifft. Da bin ich noch recht lernbedürftig.

          Ich nehme mir deine hilfreichen Worte zu Herzen und lasse den Kommentar also mal so wie er ist. 🙂

          Danke dir von Herzen und
          ganz liebe Grüße
          „Benita“

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            1. Muß man nicht, aber kann man, oder? Ich weiß, dass ich nicht muss, das war aber erst gemeint und nicht nur gesagt, weil ich ein Kompliment erhalten habe. Vielleicht kommt es dann, wenn ich es höre/lese, weil ich es eher nicht wage ein Kompliment von mir aus zu machen, weil es mir zu aufdringlich erscheint. … Siehe – ich weiß nicht, dass ich gemocht oder geschätzt werde. Aber ich mache keine Komplimente an Personen, wo ich es nicht so meine, bloß weil ich von ihnen ein Kompliment erhalte. 😊 😉

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    1. Liebe Sophie,

      Oh ja, das ist sie!!!

      Es macht Mut, dass es auch solche Menschen gibt. Und ich glaube, dass es auch mit mir zu tun hat. Seit dem Klopfen kann ich Gefühle in der Öffentlichkeit nicht mehr so abspalten und werde dadurch sichtbarer. Damit haben dann die anderen auch eine Chance uns zu trösten. Davor trauten sie sich evtl. gar nicht an uns heran.

      Ganz liebe Grüße
      „Benita“

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  2. Liebe „Benita“,

    es hat mich so gefreut von dieser guten Erfahrung zu lesen 🙂
    Ich wünsche dir noch viel mehr solcher Erfahrungen, denn du hast jede einzelne verdient.
    Wir hatten Ende letzter Woche eine für uns ähnlich gute Erfahrung. Sie war nicht so nah, weil es ein erstes Kennenlernen war. Aber sie war wertvoll, weil signalisiert wurde „du bist hier willkommen, so wie du bist“.

    Ganz liebe Grüße
    Bunte Sterne

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    1. Ihr lieben bunten Sterne,
      vielen lieben Dank für deine so lieben Worte, die zu Herzen gehen. ☺
      Ich freue mich, dass auch du/ihr eine sehr schöne Erfahrung machen konntet und euch angenommen fühlen konntet, wie ihr seid.
      Auch ihr habt euch ganz viele solche und andere heilende das Herz nährende Erfahrungen verdient. ❤
      Alles, alles Liebe
      "Benita"
      P.S. Ich bin dir noch eine Antwort zu Yoga schuldig. Ich hab nicht vergessen. Aber sehr viel mehr als auf meiner Seite "WAS MIR GUTTUT" habe ich nicht zu sagen, vielleicht noch etwas. Bitte lass mir noch diese Woche. Versprochen!!!

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      1. Liebe „Benita“,

        auch dir danke für deine lieben Worte 🙂
        Bitte stresse dich nicht wegen des Yogas. Wir haben auf deiner Seite „Was mir gut tut“ gelesen und waren danach einfach mal beim Yoga 😀 Ja, tatsächlich, wir sind dann ganz spontan zum Yoga gegangen. Das war übrigens auch unsere gute Erfahrung, von der wir schrieben 🙂

        Liebe Grüße
        Bunte Sterne

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        1. Liebe Bunte Sterne,
          das ist ja wundervoll, dass ihr da einfach hingegangen seid. Offensichtlich habt ihr der Yoga-Lehrerin oder dem Lehrer vertrauen können. Dass ihr dann diese schöne Erfahrung machen konntet. Für uns war damals wichtig, uns auch zu öffnen mit unseren Erfahrungen insoferne, damit es sein durfte / konnte, dass Tränen kommen dürfen, wenn sie durch die Übungen ausgelöst werden. Denn den Fluss durch Yoga anregen und es dann zurückhalten oder abspalten müssen, weil ich mich nicht aufgefangen fühle oder zuwenig Unterstützung habe empfanden wir als contraproduktiv.
          Ich wünsche euch weiterhin viel Freude mit Yoga. Falls ihr konkrete Fragen habt, die ich evtl. beantworten kann könnt ihr mir ein Mail oder auch einen Kommentar irgendwohin schreiben. Das Wichtigste ist tatsächlich gut auf euch zu hören und eure Grenzen zu achten. Wenn es starken Widerstand gegen eine Übung gibt, oder sie sich „falsch“ oder „schlecht“ anfühlt, lasst es lieber sein. Das habe ich immer so gehalten und manche Übungen, die anfangs nicht gingen, waren später kein Problem, andere Übungen (vor allem gewisse Atemübungen) lasse ich bis heute, weil sie tatsächlich leicht den Boden unter den Füßen wegziehen können, und zwar auch Menschen die ganz stabil sind. Weiß euer Yoga-Lehrer*in von euren Gewalterfahrungen? Oder von PTBS; psychischen Schwierigkeiten … ? Unser Lehrer sagte uns nämlich auch immer wieder, dass er uns diese oder jene Übung nicht rät und gab uns Alternativen zu üben.

          Liebe Grüße
          „Benita“

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          1. Liebe „Benita“,

            ja unsere Yoga-Lehrerin weiß Bescheid über die Traumatisierungen.
            Tatsächlich war es das erste Mal, dass ich mit dem Thema so offen umgegangen bin, aber es fühlte sich stimmig an und war letztendlich auch passend und gut.
            Danke für deine Tipps und dein Angebot weitere Fragen zu stellen 🙂

            Ich wünsche dir erstmal ein sehr schönes Wochenende! 🙂
            Bunte Sterne

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