Um eigene Schwäche zu zeigen, braucht es ein Gegenüber, dem wir vertrauen können und Sicherheit.
Beides ist in der jährlichen demütigenden Situation, in der wir beweisen müssen, dass wir noch therapiewürdig sind nicht gegeben. D.h. niemand sieht uns an, wie „dreckig“ es uns geht. Wir sind alles andere als stabil, aber uns nichts anmerken zu lassen, ist Teil des Überlebens-Konzeptes, das sich DIS nennt. Dieses Konzept hilft uns, unsere Würde zu bewahren und im Notfall ganz schnell die Flucht zu ergreifen. Meist nach innen zu einem anderen Innenwesen, das der Lage gewachsen ist. Das ist bei uns ein Innenwesen, das sich nicht spürt und deshalb alles aussitzen kann. Sich wehren war lebensgefährlich, das haben wir uns ab trainiert, vor allem gegenüber Männern, denen wir uns ohnmächtig gegenüber fühlen. Und tatsächlich sind das die meisten Männer.
Auch diese Überlebenstechnik verleitet zu falschen Analysen als unwissender Gutachter.
Wir können nach einem überfordernden und retraumatisierenden Gespräch zusammenbrechen und nahe dem Nervenzusammenbruch tagelang weinen. Wir können auch in der U-Bahn weinen, oder beim Gehen auf der Straße. Aber wir werden niemals im Gespräch mit einem Gutachter oder einer Gutachterin der Kasse weinen. Der Termin der Vorsprache ist schlimm genug, niemals werden wir uns so entblößen. Es kann aber sein, dass derlei von Gewalt-Opfern erwartet wird.
Wir wissen, dass wir Nichts tun hätten können, dass ein anderes Ergebnis als das Therapieende begutachtet worden wäre. Denn der Beschluss stand fest, bevor wir den Raum betreten hatten. Dennoch gehen die Gedanken, was wir anders tun hätten sollen nicht aus dem Kopf.
Zurück zu unserer Reaktion auf die furchtbare Nachricht. Zunächst sind wir im Stiegenhaus zusammen gesackt und haben geweint. Das macht uns nichts. Wenn wir auf der Straße weinen, sind wir anonym. In der Stadt ist es den meisten Leuten egal, ob wir weinen und jene, denen es nicht egal ist, tun uns gut, wenn wir ihr Mitgefühl spüren. Wir können auch aus dem Schlaf erwachen mit dem Gedanken uns das Leben zu nehmen, über den Gedanken erschrecken und ihn dennoch für gar nicht so abwegig betrachten. So waren unsere Tage nach dem Gespräch mit dem Gutachter der Kasse. Um einen solchen Gedanken an ein von uns willkürlich herbei geführtes Ende zu entwickeln, braucht es bei uns enorm viel Verzweiflung, denn wir sind der Ansicht, dass Herausforderungen im Leben dazu da sind, bewältigt zu werden. Wir sind auch noch immer der Überzeugung, dass wir für jede Aufgabe das geeignete Wissen, Kraft und Ausdauer besitzen. Aber es wird immer schwieriger manche Innenwesen davon zu überzeugen, dass es so ist.
Generell haben wir keine Angst, uns unseren Lebensaufgaben zu stellen. Was uns aber enorme Angst macht ist, als alte Frau den Fängen der Psychiatrie vielleicht einmal hilflos ausgeliefert zu sein. Bis dahin müssen wir gesund genug sein, dass derlei nicht passiert. ….. Was wenn uns die Zeit davon läuft?
Vielen herzlichen Dank fürs Lesen. 🌻🌸💖
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