Leben mit DIS # 55: ein anderes Frühlingserwachen

Wir wurden als Kleinkind von unserem Vater verkauft und verdrängen es meist. Die Erinnerungen sind vage, der Zugang versperrt. Was unsere Mutter darüber weiß, wissen wir nicht. Die Scham ist zu groß. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Es ist einfach zu ungeheuerlich, um es zu ertragen für uns, deshalb leiden wir darunter. Fürchten mehr darüber zu erfahren, obwohl es uns Freiheit bringen kann, Freiheit bringen würde, das sagt unsere Erfahrung im Umgang mit Erinnerungen sexualisierter Gewalt. Die Freiheit der Erkenntnis und damit die Freiheit auch dieses Kapitel abzuschließen und zu sagen, es ist geschehen, aber heute ist es Vergangenheit.

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Der Spiegel an der Leine

Es geht uns doch endlich wieder gut, oder?

Der extreme Stress der letzten Monate mit der Auflösung der Wohnung unserer Mutter, die sie in einem Zustand der Verwahrlosung zurück ließ, ist nahezu vorbei.

Am 24.12. treffen wir uns mit lieben Nachbarn zum Essen. Einfach so, ohne viel Klimbim. Das werden doch einmal gute Weihnachten.

Unsere Hündin S. weiß es besser. Wir sind nicht authentisch. Wir spalten ab und wollen die Situation nicht sehen. Zu Weihnachten wurden wir verkauft. Es ist die schrecklichste Zeit des Jahres. Der Erzeuger war über alle Maßen aggressiv. Das haben wir abgespalten, wollten es nicht erinnern. Die Innenwesen, die noch immer zittern nicht wahrnehmen. Zudem haben wir große Angst vor der Auseinandersetzung mit der Gesundheitskasse um die Weitergewährung unserer Therapie, die unmittelbar bevorsteht. Auch daran wollen wir lieber gar nicht denken, es nicht fühlen. S. Reaktion ist, dass sie Angst vor uns hat. Sie zittert vor uns. Das ist für uns nicht zu ertragen, es macht uns auch aggressiv und wütend.

Das ist eine von uns oft angeprangerte Reaktion wenn wir andere Menschen spiegeln. Jetzt erkennen wir, es tut einfach enorm weh, auf etwas hingewiesen zu werden, mit dem Frau/Mann sich aktuell nicht beschäftigen will. Etwas mit dem die Beschäftigung schwer fällt, weil es so schmerzhaft ist. Allerdings sind wir dankbar, dass S. es dennoch tut. Denn wir haben abgespalten, weil zu Weihnachten niemand wissen will, wenn es jemandem schlecht geht. Wir sind zum Essen eingeladen, aber wir werden eher keine Unterstützung bekommen, wenn Erinnerungen kommen. Wir wagen sie auch nicht einzufordern. Wir wollen das Essen nicht mit unseren Geschichten sprengen. Wer weiß, ob das klug ist?

S. weiß nichts von Weihnachten. Es ist ihr einfach egal. Ihr ist wichtig, dass es ihr gut geht. Und ihr geht’s gut, wenn wir authentisch sind und für sie daher berechenbar. Als die Tränen kamen, wir wütend und verzweifelt waren, war es für sie in Ordnung und sie setzte sich zu uns. Jetzt war es für sie stimmig und sie begleitete uns durch die Emotionen. Lässt aber auch nicht zu, wenn wir uns zu sehr leid tun wollen. Sie ist Expertin für Emotionen.

Diese Hündin ist an der richtigen Stelle bei uns. Sie ist uns charakterlich immer wieder so ähnlich. Aber vielleicht spiegelt sie nur unseren Charakter? Sie könnte jedoch auch anders auf unsere Unausgeglichenheit reagieren als mit Angst. Angst ist auch unsere Reaktion auf emotionale Schieflagen. Wir kennen derlei so gut. Wir haben aber auch bereits gelernt, Menschen zu konfrontieren, wenn es uns wichtig ist und wir die Schieflage intellektuell einordnen können. Das kann S. vermutlich nicht. Sie fühlt nur, dass das dargestellte Gefühl nicht der Wahrheit entspricht. Ihre Art darüber zu sprechen, dass etwas nicht stimmt ist eine andere. Es ist über ihren Körper. Sie geht in den Widerstand und beginnt zu zittern.

Sie ist auch zu klein, um mit uns kämpfen zu wollen. Auch hat sie nur noch 4 Zähne. Denn auch Chihuahuas können ordentlich beißen. S. kann es nicht mehr. Das weiß sie. Wir sind ihr körperlich überlegen. Das würden wir nie gegen sie ausnutzen. Hoffentlich weiß sie das mittlerweile auch?

Da hat sie schon anderes erlebt. Sie wurde geschlagen. „Es war doch nur ein Klaps.“ (Immer wieder) Das ist für jedes Lebewesen zu viel. Es erschüttert das Vertrauen und hinterlässt Narben auf der Seele. Zudem haben wir erfahren, dass sie drei Jahre von ihrem letzten verstorbenen Besitzer ignoriert wurde. Sie lag unter dem Bett und wartete. Er ging nie mit ihr zum Tierarzt. Ihre Zahnschmerzen waren egal. Sie durfte sich nichts anmerken lassen.

Vernachlässigung ist immer eine Parallele mit unserem Leben. Wir kennen uns aus mit Trauma bei Menschen. Mit einem traumatisierten Hund zusammen leben, wo wir einander vermutlich triggern, ist eine neue Aufgabe. Verständnis füreinander und auch die Bereitschaft zu lernen haben wir jedoch. Langsam wachsen die Zuneigung und das Vertrauen auf beiden Seiten.

Leben mit DIS # 52: Erlittene Deprivation fühlen wagen

Wenn Deprivation vom diagnostizieren Fachbegriff zum gefühlten Schmerz wird …

Unter Deprivation versteht man in der Psychologie ein Zustand der Entbehrung und des Mangels, wobei man verschiedene Arten von Deprivation unterscheidet: Bei der sozialen Deprivation werden Betroffene sozial ausgegrenzt, bei der sensorischen Deprivation werden Außenreize vollkommen ausgeschaltet, und bei der emotionale Deprivation werden Menschen, insbesondere Kleinkinder, emotional vernachlässigt. (…)

https://www.psychologische-fachgutachten.de/glossar/deprivation/

Wenn durch ein Ende der sozialen Deprivation nach Trauma die emotionale Deprivation der Kindheit, von Geburt an, spürbar wird, gibt der Boden unter den Füßen nach. Der emotionale Kraftakt diesen Schmerz zu fühlen ist unbeschreiblich. Um uns zu schützen ist der Wunsch zurück zur sozialen Isolation groß. Es tut so extrem weh, dass auch der Wunsch einfach tot zu sein uns viele Tage, ja Wochen begleitet hat. Bloß der Gedanke, diesen Zustand selbst durch Suizid herbeizuführen blieb uns glücklicherweise weiterhin fremd.

Wie kommt es dazu, diese frühkindlichen Schmerzen fühlen zu können? Was hat sich bei uns getan?

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Eltern lieben ihre Kinder oder eben nicht

Wir erleben hier, wie eine erwachsene Nachbarin ihre Eltern über alles liebt. Das hat einen Grund. Ihre Eltern lieben sie über alles und zeigen es ihr. Es sind wundervolle, einfühlsame Menschen, wo es leicht fällt sie zu lieben.

Und dann ist da unsere Mutter, die keine Möglichkeit verstreichen lässt, uns zu zeigen, dass es ihr nur darum geht, dass wir so zu sein haben, wie sie es möchte, dass allein ihr Befinden wichtig ist und wenn wir das nicht tun oder akzeptieren, ist sie arm und uns wird unterstellt sie nicht zu mögen.

Dabei können wir niemals tun, was sie möchte, weil wir dann jede Liebesfähigkeit und jede Wertschätzung für uns selbst in uns töten müssten. Da sind aber die Innen Kinder, die sich nichts mehr wünschten als von ihr geliebt zu werden.

Wenn wir zeitgleich Kontakt zu beiden Verhaltensweisen von Eltern erwachsener Kinder erleben, spüren wir so intensiv wie groß der Schmerz ist, von den eigenen Eltern keine Liebe bekommen zu haben, sondern benutzt worden zu sein und auch heute noch benutzt zu werden, sobald wir liebevoll sein mögen und verzeihen wollen.

Vielleicht sollten wir sogar den minimalen Kontakt zu unserer Mutter wieder beenden — für immer? Was hilft uns mehr, ein kontinuierlicher Streit und Kampf um unser Leben führen zu dürfen, oder die Hoffnung auf eine gütliche Wende vielleicht knapp vor ihrem Tod endgültig zu begraben, bevor der Tod uns trennt?

Gedanken über den Sinn eines Lebensstils der Selbst Isolation mit DIS

Unser Leben in einer aktiven Nachbar:innenschaft hatten wir uns einfacher vorgestellt. Wir hatten es uns glücklicher vorgestellt.

Jedoch selbst bei ganz lieben Leuten, die uns wohl gesonnen sind, verzweifeln wir. Wir sind wohl massiv überfordert damit eingebunden zu sein unter der Prämisse „normal“ zu erscheinen. Die Kontakte sind zu anstrengend für uns, weil WIR im Grunde nicht existieren. Die Innenwesen dürfen nicht existieren im Kontakt.

Ist das unser Anspruch? Wer weiß? Es ist unausgesprochen die Erwartung der Unos, denen wir begegnen. Was sollten sie auch erwarten? Sie kennen nur dieses Leben, in dem Aufsplitterung wie wir sie kennen und darunter leiden nicht vorkommt. Erwartungen, die wir nicht erfüllen können, es aber immer wieder versuchen und scheitern.

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Leben mit DIS #40: Selbstaufgabe erkennen tut fast unerträglich weh!

Wenn um zu Überleben nur bleibt sich selbst aufzugeben und in ganz viele Teile aufzusplittern, dann ist es ein Glück, wenn zumindest ein Teil die Erinnerung trägt, wer das ICH eigentlich einmal hatte werden sollen oder wollen.

Wenn dann durch ganz viel Hilfe und noch viel mehr Glück, sich dieses ICH, das weiß, dass sich eine selbst aufgeben musste, Gehör verschaffen kann, dann tut es weh, so außerordentlich weh, dass es scheint es ist nicht zu ertragen.

All die verlorenen Chancen erkennen, sich all diese Gewohnheiten, der täglichen Selbstaufgabe wieder ab zu gewöhnen, das scheint eine viel zu große Herausforderung zu sein, nach 55 Jahren Lebenszeit.

Dann, wenn der Schmerz so überhand nimmt, dass ein Weiterleben angezweifelt wird, ist es wichtig wahrzunehmen, dass das Erkennen der Selbstaufgabe ein Prozess war und ist. Es ist ein Weg, den wir seit Jahrzehnten gehen und das Gerümpel vor der Türe des ICH langsam aber doch stetig immer mehr wegräum(t)en.

In diesem Moment ist es ein Glück zu erkennen, dass das Wegräumen vielleicht zu unserer Lebensaufgabe gehört. Vielleicht gehört ja auch das Zersplittern als Möglichkeit um zu überleben zu unserer Lebensaufgabe?

Jetzt, in diesem Augenblick des nahenden Sieges über einen fast übermächtigen Gegner, der massive Gewalt seit frühester Kindheit heißt, aufzugeben, wäre die wahre Selbstaufgabe. Es wäre ein letztes Aufbäumen der Gewohnheit, die uns stets einschränkte, weil es zuerst nötig war um den Körper und damit das Überleben zu schützen und wir dann nicht sahen, dass es nicht mehr erforderlich ist, sondern zum Gefängnis wurde.

Das Allerschlimmste ist schon lange vergangen. Was wir heute fühlen, in der Erinnerung, sind jene Schmerzen, die wir damals abtrennen mussten. Mit jeder Träne, mit jedem Schmerz der Erkenntnis befreien wir das ICH aus seinem Versteck und lassen es die Luft des heute atmen.

Es sind der Atem der Lebendigkeit und die Luft der Liebe zu sich selbst.

Off topic: SOS from the Kids – (Official Music Video)

Wir sind auf dieses wundervolle Video gestoßen mit der so wichtigen Aussage, die kaum besser gesagt werden könnte!

Es ist uns ein sehr großes Anliegen es zu teilen. Einfach ansehen und tun was immer ihr könnt oder Sie können um mitzuhelfen.

Leben mit DIS #38: Perfektionismus

Immer wieder hören wir von anderen Menschen, dass wir so perfektionistisch wären. Wir hören es als kritische Feststellung. Und es stimmt ja, bloß macht sich niemand die Mühe nachzuforschen weshalb es so ist. Zugegeben wir bislang auch nicht.

Nun die Erkenntnis: Wer sich in seinem Leben, vor allem in der frühen Kindheit keine Fehler erlauben darf, weil sie mit großer Wahrscheinlichkeit den eigenen Tod bedeuten würden, tut sich schwer locker an Aufgaben heranzugehen, denn die Todesangst steckt in den Knochen.

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Leben mit DIS #37: Warum Smalltalk für uns in die Schlaflosigkeit führt?

Es war ein netter Abend nach einer Vernissage. Wir saßen mit einigen netten Menschen beisammen in einem Lokal und plauderten. Es ging für uns als nicht-Künstlerin mehr um Smalltalk, als um künstlerischen Austausch.

Wollten wir dazugehören, ohne es zu tun? Anderseits gehörten wir dazu. Man kannte uns und hörte uns zu. Aber weshalb konnten wir einfach Nichts von uns einbringen?

Weil die Wahrheit über unser Leben die Stimmung dämpft und jedes lockere, entspannte Gespräch sprengt. Also erzählen wir von uns nichts Wichtiges. Geben nichts Preis von uns. Das erzeugt generell dann eher Misstrauen, was verständlich ist. Es ist also egal, ob wir von uns erzählen oder nicht, es ist unmöglich unbefangen zu bleiben. Es ist unmöglich, die Stimmung nicht zu ruinieren, wenn wir von uns berichten. Und es ist unmöglich, selbst wenn sich die anderen darauf einlassen nicht das Thema plötzlich zu bestimmen mit den Themen sexualisierte Gewalt und Gewalt an Kindern.

Es gibt also die Wahl zwischen selbst auferlegtem Schweigen oder Themensetzung auf das Gewaltthema und ein Zuviel an Aufmerksamkeit oder ein Ausschluss aus dem Gespräch dadurch.

Diese Auswahl ist beklemmend und kränkend alleine durch die Unmöglichkeit ein zwangloses Gespräch zu führen. Wir haben es wieder einmal versucht und sind insofern wieder einmal gescheitert, als wir uns selbst schon dadurch betrogen haben, dass wir das „ich“ gebrauchten um nicht aufzufallen. Das geht nur kurz, dann beginnen die Kopfschmerzen und die Übelkeit, die wir abspalten.

Und nachdem wir gestern sogar ein bisschen über uns und den Blog gesprochen haben, allerdings alles „brav“ in Einzahl, folgte bis jetzt eine schlaflose Nacht, trotz Müdigkeit.

Es ist zum Verzweifeln sich nicht einbringen zu können in einer Gesellschaft ohne groß aufzufallen und sofort einen Sonderstatus zu erhalten, im besten Falle. Anderenfalls folgt der Ausschluss, wenn die anderen auf den erzwungenen Sonderstatus nicht eingehen mögen. Was wir sogar verstehen.

Ein Leben mit DIS ist ein Leben als Ausgeschlossene, bis wir uns erklärt haben. Letzteres geht in einer Gruppe von ferneren Bekannten nicht. Vielleicht haben wir in solchen Gruppen nichts verloren? Rückzug aus Selbstschutz, die alt bekannte und verhasste Strategie. Wir umkreisen seit Jahren dieses Problem, ohne eine Lösung zu finden.

Die Taliban – ein Krieg gegen Frauen- und Menschenrechte

Die wunderbare Sandra Norak hat diesen Beitrag geschrieben, den wir sehr gerne verbreiten mögen. Wir werden auch die Petitionen unterzeichnen.

Nachdem unserem Kanzler Nichts besseres einfällt, als kategorisch auszuschließen Leute, ja auch keine verfolgten Frauen, aufzunehmen. Es ist nur erschütternd, wie kaltherzig unser Regierungschef ist.

Bitte helft auch mit, wo ihr könnt.

Vielen lieben Dank. 🍀

Es ist eine schreckliche Situation in Afghanistan. Ich bin gerade vom Schreibtisch aus in Fälle verwickelt, in denen versucht wird, Frauen aus Afghanistan, aus Kabul, rauszukriegen. Entweder schaffen es die Menschen gerade nicht zum Flughafen nach Kabul oder sie stehen (noch) nicht auf der Liste oder sie schaffen es zum Flughafen, aber wegen dem Massen-Chaos […]

Die Taliban – ein Krieg gegen Frauen- und Menschenrechte