Über Hass und Lebendigkeit

Das Webinar zum Schlafen hat uns dazu bewegt uns einem Schlafprogramm auf neurowissenschaftlicher Basis zu unterziehen das wir dort kennengelernt haben. Wir wollen noch nicht mehr dazu erzählen, weil wir uns erst im Teststadium befinden. Wir wollen hier auch keine Werbung machen und halten uns neutral. Wenn wir davon überzeugt sind, können wir auch auf Mail-Anfrage Infos dazu weitergeben. Noch ist es zu früh dafür.

30 Tage dürfen wir das Programm testen und bei Missfallen retournieren und bekommen alle Kosten ersetzt. Soweit so gut. Es war ein Anreiz uns drüber zu wagen, obwohl komplexe Traumatisierung von den Anbietern durchaus als schwierige Indikation gewertet wurde und wir mehrmals zur Vorsicht gemahnt wurden auch um Retraumatisierungen und Flashbacks zu vermeiden. Auch wurde uns dringend empfohlen das Training von einer Therapeutin / einem Therapeuten begleiten zu lassen.

Nun es ist freilich selbstverständlich, dass die Erfahrungen, die wir damit machen auch in der Therapie besprochen werden. Auch unsere durchaus fortgeschrittene Heilungssituation, ermutigte uns es bei allen Schwierigkeiten zu erproben. Und wir kennen unsere Grenzen nach über zehn Jahren Yoga und Meditation bereits sehr gut. Zudem ist es gerade die Vorsicht der Anbieter die sehr seriös auf uns wirkt. Es werden keine Heilsversprechen abgegeben und dennoch viel Mut gemacht auf Grundlage von validierten Daten einer Studie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Wir arbeiten nun seit nur drei Tagen mit diesem Schlaftraining und es hat uns mit einigem konfrontiert. Zunächst wurde uns klar, dass wir auch deswegen nicht schlafen, weil wir tatsächlich täglich darauf warten, dass wir „endlich“ vergewaltigt werden, damit wir dann in Ruhe einschlafen können und nicht mitten im Schlaf unsanft geweckt werden. Eine wichtige Erkenntnis, denn wir wurden seit Jahrzehnten nicht mehr vergewaltigt. Das Gehirn hatte es aber unbewusst noch immer so abgespeichert. Als nächstes klärte sich unser Verhältnis zum Hass auf unsere Eltern, für den wir uns immer enorm geschämt haben und uns dafür innerlich gegeißelt haben.

Es kamen folgende Gedanken: „Wir dürfen die Eltern hassen, aber sie sind es nicht wert!“ Was ohne Kenntnis über unsere Erfahrungen extrem klingt, ist doch sehr logisch bei allem, was wir erlebten bzw. erlitten.

Wir erkannten, wie sich der, noch dazu verdrängte, tiefe Hass den wir fühlen nur gegen uns richtet. Der Hass hält uns in der negativen Verbindung zu unseren Eltern. Ihn loslassen bedeutet unsere Eltern loslassen und unser Leben frei zu leben. Intellektuell wissen wir das bereits lange, aber das änderte noch nichts daran. Bewusst bekamen wir keinen Zugang zu dieser Emotion. Letzendlich bringt und das Loslassen von diesem tiefen Hass ein großes Stück weiter zu unserer Lebendigkeit. Möge es gelingen. Bei all dieser Anstrengung sind wir so aktiv wie schon sehr lange nicht.

Das Schlaftraining hat bislang einen logischen aber auch widersprüchlichen Effekt. Einerseits stresst es uns, da es auf einer unbewussten Ebene ganz tiefe Überlebensmuster von uns angreift und beginnt diese aufzulösen. Negative Gedanken, die wir so gewohnt sind, dass sie zu uns gehören werden uns vor Augen geführt und es ist sehr anstrengend sie loszulassen. Es findet also ein innerer Kampf statt, Vergangenheit gegen Zukunft, Leiden gegen Lebendigkeit und Freiheit. Anderseits aber führt uns genau dieses Erkennen und Loslassen zu einer inneren Ruhe die uns neu ist.

Wir fühlen uns aktuell also gestresst und ruhig zugleich.

Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zu DIS haben uns immer auch deshalb fasziniert, weil uns bei unserem Psychiatrieaufenthalt anno 1992 ein auffälliges EEG attestiert wurde, mit dem die Ärz*innen damals nichts anfangen konnten. DIS wurde nicht diagnostiziert. (*)

Wer weiß, wohin uns all dies führen wird? Wir bleiben neugierig!


(*) https://www.psymag.de/11355/neurowissenschaftliche-befunde-gespaltene-ich-dissoziative-stoerungen/

6 Gedanken zu „Über Hass und Lebendigkeit“

  1. Der Gedanke kam mir zwar sofort, aber ich habe bis jetzt überlegt, ob ich das überhaupt schreiben kann bzw. darf:
    Habe Ihr es mal mit Selbstbefriedigung probiert? Gegebenenfalls mit Hilfsmittel, um die entsprechende Intensität zu erzeugen?
    Wenn der Körper etwas entsprechendes gelernt hat, sucht er danach (siehe Eure Beschreibung) – und das völlig wertfrei.
    Sorry, falls das ein Gedanke ist, der Euch irgendwie verletzt. So war er nicht gemeint.
    🍀💚🌈

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    1. Naja, das ist ein Gedanke, der leider ziemlich unpassend ist. Selbstbefriedigung mit Flashbacks von Vergewaltigung zu verknüpfen hieße sich selbst permanent zu retraumatisieren. Denn es sind die Innenkinder, die ja auf GEWALT warten. Selbstbefriedigung soll und darf nicht mit Angst vor Gewalt verknüpft werden, sonst haben wir unsere Sexualität komplett verloren. ….. Es sucht nicht der Körper nach Befriedigung, denn die erhält keine Frau/Mädchen bei einer Vergewaltigung, sondern die Angst vor der zu erwartenden Gewalt ist so groß, dass wir nicht müde werden/wurden und sich Entspannung daher nicht einstellen kann.
      ….. Wir hoffen, dir damit das Wesen und die Auswirkungen von Vergewaltigung näher gebracht zu haben, denn eigentlich sind wir gerade etwas traurig und entsetzt über die Idee. Wir dachten halt, dass du es schon besser verstehst, was es bedeutet vergewaltigt zu werden. Dennoch sind wir dankbar für die Frage, denn vielleicht haben andere es auch so verstanden wie du?
      Hoffentlich ist es jetzt klar?

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      1. Bitte verzeiht meinen zu kurz gedachten Gedanken.
        Ich muss zugeben, dass ich zu wenig Wissen und auch Erfahrung (eigene, wie auch aus therapeutischer Sicht) über Eure Situation habe.
        Trotzdem möchte ich Euch danken, daß Ihr so ruhig und tolerant mit meiner Übertretung umgeht.
        Meine Intention ist, mitzuhelfen, einen Lösungsweg zu finden. Aber nur Ihr könnt letztendlich wissen, was sinnvoll ist und was nicht. Und so hoffe ich, mit meinen Gedanken vielleicht wenigstens als „schlechtes Beispiel“ dienen zu können.

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        1. Lieber Ankordanz,
          Wir kennen dich als Leser ja schon einige Zeit und wissen, dass du uns nicht verletzen magst. Daher ist es leicht auch größere Missverständnisse richtig zu deuten und nicht persönlich zu nehmen.
          Falls es in Ordnung für dich ist, als „schlechtes Beispiel“ zu dienen, lassen wir den Kommentar stehen. So schlecht ist es ja nicht, wenn darauf dieser Kommentar folgt. Falls es dir aber unangenehm ist, diese Rolle zugewiesen zu bekommen, können wir auch deinen ersten Kommentar und unseren gesamten Austausch löschen.
          Alles Liebe
          „Benita“

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          1. Es ist für mich durchaus in Ordnung, auch als „schlechtes Beispiel“ zu dienen. Auch diese Erfahrung ist für mich positiv und auch wichtig – wie soll ich sonst lernen, wo Grenzen sind, die ich noch nicht kenne.
            Ich hatte ja von Anfang an das Gefühl, daß der Gedanke auch kontraindiziert sein könnte. Aber ich hatte die Hoffnung, daß ein Reframing vielleicht ein weiterer Schritt in eine sinnvolle Richtung sein könnte.
            Trotzdem, oder gerade deshalb, möchte ich Euch danken, daß Ihr bereit seid, einen solchen „Fehltritt“ so offen und liebevoll zu korrigieren.
            🙏💚🌈

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            1. Sehr gerne 😊 Dieser Blog soll ja auch dazu dienen mehr Wissen und Bewusstsein über frühe und lange dauernde sexualisierte Gewalt, deren Folgen und einen möglichen Heilungsweg, der freilich sehr persönlich und individuell ist aufzuzeigen. Der Plan war anderen ein Lernen zu ermöglichen. Das geht aber nicht ohne wohlwollende Kommunikation in beide Richtungen.
              Vielen Dank dafür, dass du dich darauf einlässt.
              Herzliche Grüße 💜🎶
              „Benita“

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